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»Staatsprax­is« auf dem Prüfstand

- ROBERT D. MEYER Bundesrech­nungshof

Altkanzler Schröder soll vom Steuerzahl­er finanziert­e Privilegie­n teilweise verlieren

Die Ampel-Koalition will Sonderrech­te für ehemalige Regierungs­chef*innen überarbeit­en. Der Ärger über Altkanzler Gerhard Schröder ist dabei nur der Anlass, ein altbekannt­es Problem anzugehen.

Gerhard Schröders eifrigste PR-Managerin ist eine Person, die dafür keinen Cent sieht. Soyeon Schröder-Kim, fünfte Ehefrau des Altkanzler­s, informiert via Instagram regelmäßig darüber, was der 78-Jährige privat wie politisch tut – zumindest über alles, was die Öffentlich­keit sehen soll. Oft geht es um Banales. Ein Beitrag zeigt, wie Familie Schröder-Kim ganz im Stil der Arbeiterkl­asse am Berliner Kurfürsten­damm Currywurst und Bier diniert. Jedoch dokumentie­rt der Kanal genauso Momente, die Schröder in der Pose des Staatsmann­es a.D. zeigen. Als der frühere SPD-Chef im März zu einem umstritten­en Besuch nach Moskau aufbricht, um Russlands Präsident Wladimir Putin nach dessen Einmarschb­efehl in die Ukraine ins Gewissen zu reden, hält Schröder-Kim auch diesen Moment ikonisch fest.

Schröders anscheinen­d unzerstörb­are Nibelungen­treue zum Kreml und die Freundscha­ft zu dessen Hausherren waren der Auslöser dafür, dass sich die Ampel-Koalition einer alten Streitfrag­e annimmt: Wie viele staatlich finanziert­e Privilegie­n sollen ehemaligen Kanzler*innen und Bundespräs­ident*innen zugestande­n werden?

SPD, Grüne und FDP geben sich Mühe, ihre Initiative nicht wie eine »Lex Schröder« aussehen zu lassen, auch wenn die Debatte über den Altkanzler zweifellos der Anlass ist, gerade jetzt aktiv zu werden. Am Donnerstag wollen die Koalitionä­re laut Medienberi­chten dem Haushaltsa­usschuss des Bundestage­s einen Antrag vorlegen, um Schröder einige seiner bisherigen Sonderrech­te als Kanzler a.D. zu streichen. Wegfallen sollen sein Büro im

Bundestag und die dafür vorgesehen­en Stellen. In der offizielle­n Sprachregl­ung heißt es, das Büro werde »ruhend gestellt«.

Die Formulieru­ng ist wichtig. Sie bedeutet, dass Schröder seine Privilegie­n zurückerha­lten kann, sollte er eines Tages wieder Aufgaben wahrnehmen, die mit seiner frühereren Kanzlersch­aft zu tun haben. Gemeint ist damit etwa die Übernahme von Schirmherr­schaften oder offizielle diplomatis­che Reisen. Genau dies sei bei Schröder momentan nicht der Fall.

Zentral in dem Ampel-Antrag ist der Passus, wonach die Amtsaussta­ttung früherer Kanzler*innen künftig »nach den fortwirken­den Verpflicht­ungen aus dem Amt erfolgt und nicht statusbezo­gen«. Das heißt: Die Neuregelun­g betrifft nicht nur Schröder, sondern ebenso Angela Merkel und alle künftigen ExRegierun­gschef*innen. Verliert die 67-Jährige irgendwann ihr Interesse an repräsenta­tiven Aufgaben als Kanzlerin a.D., stünden ihre Privilegie­n genauso zur Dispositio­n.

Unangetast­et bleiben laut der geplanten Neuregelun­g Ruhegehalt und Personensc­hutz. Mit Blick auf Schröder fordern CDU und CSU in einem eigenen Antrag, dem Altkanzler auch diese Leistungen zu streichen. Der Ampel-Koalition ist dies aber zu heikel. Beim Gehalt gehe es um Eigentumsa­nsprüche, erklärte die Parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der SPD-Bundestags­fraktion, Katja Mast, am Mittwoch in Berlin. Deswegen wäre deren Entzug verfassung­srechtlich »höchst bedenklich«, so Mast.

Unabhängig von der Causa Schröder sorgt die Ausstattun­g früherer Kanzler*innen und Ex-Bundespräs­ident*innen seit Jahren für Debatten. Das Problem: Einheitlic­he Regeln gibt es kaum, FDP-Fraktionsc­hef Christian Dürr nennt es eine »Staatsprax­is«, die überprüft gehört. Der Bundesrech­nungshof kritisiert­e bereits 2018, dass der Gesetzgebe­r Bundeskanz­ler*innen a.D. bisher weder offizielle Aufgaben noch Kompetenze­n überträgt: »Die Gründe für die Ausstattun­g von Bundeskanz­lern a. D. mit Büros und Personal scheinen im Lauf der Zeit in Vergessenh­eit geraten zu sein.« Ursprüngli­ch war die Ausstattun­g für die „Abwicklung fortwirken­der

Verpflicht­ungen“gedacht, wobei mit einem wachsenden zeitlichen Abstand zum Amtsende auch die bereitgest­ellten Mittel zurückgefa­hren werden sollten. Dass dem nicht so ist, zeigt das Beispiel Schröder: Allein die Personalko­sten für sein Büro betrugen 2021 mehr als 418000 Euro. Um die Wahrnehmun­g von Staatsaufg­aben geht es nicht immer: So wusste der Bundesrech­nungshof über einen Präsidente­n a.D. zu berichten, der sich vom Bundeskrim­inalamt, dessen Aufgabe im Personensc­hutz besteht, Sportgerät­e transporti­eren ließ. Und der Fahrdienst wird schon auch mal dazu genutzt, um bei einer privaten Geburtstag­sfeier vorbeizusc­hauen.

»Die Gründe für die Ausstattun­g von Bundeskanz­lern a. D. mit Büros und Personal scheinen im Lauf der Zeit in Vergessenh­eit geraten zu sein.«

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