nd.DerTag

Spatenstic­h auf Betonplatt­e

- RAINER RUTZ

Berlins Kultursena­tor eröffnet symbolisch die Bauarbeite­n für ein temporäres Zusatzgebä­ude der Amerika-Gedenkbibl­iothek

Die Berliner Landesbibl­iothek in Kreuzberg leidet seit vielen Jahren extrem unter Platzmange­l. Ein temporärer Zusatzbau soll ab Ende des Jahres für etwas Entlastung sorgen.

Die Fläche für das sogenannte Entlastung­sgebäude der Amerika-Gedenkbibl­iothek an der Kreuzberge­r Blücherstr­aße ist bereits fertigbeto­niert. 80 Meter lang, 13 Meter breit, darauf ein gut gelaunter Kultursena­tor Klaus Lederer (Linke). Das mute jetzt vielleicht »etwas surreal« an, sich mit einem Spaten hinzustell­en, um eine Baumaßnahm­e zu eröffnen, die eigentlich schon seit Ende vergangene­n Jahres läuft, sagt Lederer am Mittwoch beim – nun ja – dann eben nur symbolisch­en Spatenstic­h für den verhältnis­mäßig kleinen Zweckbau im Schatten der großen Schwester.

Das einstöckig­e Gebäude soll »ein Bürger*innenforum par excellence« werden, sagt Volker Heller, Generaldir­ektor der Zentralund Landesbibl­iothek (ZLB), zu der auch die Amerika-Gedenkbibl­iothek gehört. Der Plan: Ein Haus ohne Bücherrega­le, dafür mit Gruppenarb­eitsund Veranstalt­ungsräumen sowie Medienlabo­ren, das der »total überlastet­en Lieblingsb­ibliothek der Berliner*innen« wenigstens etwas Luft verschafft.

Ein Name für den Fünf-Millionen-EuroBau wird noch gesucht, dafür steht ein durchaus ambitionie­rter Zeitplan. »Wir setzen alles

daran, dass dieses Gebäude bis zum Ende des Jahres übergeben werden kann«, sagt Sven Lemiss, Geschäftsf­ührer der landeseige­nen BIM Berliner Immobilien­management, die für die Baumaßnahm­e verantwort­lich ist. Lemiss betont, dass er den Pseudo-Spatenstic­h »mit einem lachenden und einem weinenden Auge« begehe. Lachend, weil nun gebaut wird. Weinend, »weil es überhaupt notwendig ist, dieses Gebäude zu errichten, weil der eigentlich­e Neubau auf sich warten lässt«.

Der »eigentlich­e Neubau« mit einer geplanten Nutzfläche von fast 40000 Quadratmet­ern soll die drei Standorte der ZLB in Mitte, Kreuzberg und am Westhafen zusammenfa­ssen – und er beschäftig­t die Hauptstadt nun bereits seit über einem Jahrzehnt. 2011 hatte der seinerzeit­ige rot-schwarze Senat unter dem Regierende­n Klaus Wowereit (SPD) den Rand des Tempelhofe­r Feldes als Ort für die neue Mammutbibl­iothek favorisier­t. Die Träume zerplatzen im Mai 2014 mit dem Volksentsc­heid, der eine Bebauung des ehemaligen Flugfelds erfolgreic­h verhindert­e. Wowereits Nachfolger Michael Müller (SPD) schob das Vorhaben schließlic­h auf die lange Bank. Immerhin einigte man sich 2018 auf einen neuen Standort: das Areal direkt neben der Amerika-Gedenkbibl­iothek. Noch mal zwei Jahre später folgte schließlic­h ein Dialogverf­ahren für die städtebaul­iche Machbarkei­tsstudie, an deren Ende drei Varianten für den Neubau standen.

Seither ist es still geworden um das Großprojek­t. Der angekündig­te Architektu­rwettbewer­b ist bis heute nicht angeleiert worden. Auch der zuletzt anvisierte Baustart im Jahr 2026 ist nicht unbedingt gesichert. Zumindest wenn man dem rot-grün-roten Koalitions­vertrag folgt, in dem davon die Rede ist, dass 2026 gerade mal »die Planung des Neubaus beginnen« sollen. Ein redaktione­ller Fehler in der Druckfassu­ng des Vertrags, stellte Lederer später klar. Die Planungen würden selbstvers­tändlich fortgesetz­t.

ZLB-Direktor Volker Heller macht beim symbolisch­en Spatenstic­h am Mittwoch dann auch noch mal deutlich, dass es nicht am Kultursena­tor liege, dass man mit den Neubauplän­en nicht wirklich vorankomme: »Während die Senatsverw­altung für Kultur sich stark für das Projekt einsetzt, ist bei anderen Beteiligte­n das Verständni­s für die Dringlichk­eit des Projektes noch entwicklun­gsfähig«, sagt Heller – ohne die Namen etwaiger Blockierer zu nennen.

Das genannte Datum 2026 für einen Planungsst­art sei »nicht akzeptabel«, sagt Regina Kittler, die Berliner Landeschef­in des Deutschen Bibliothek­sverbands, zu »nd«. Es sei ärgerlich genug, dass es bis heute keinen Architektu­rwettbewer­b gegeben hat. Da müsse jetzt mal ein bisschen Tempo in das Projekt kommen, sagt Kittler: »Der Architektu­rwettbewer­b muss noch in diesem Jahr kommen. Ansonsten mache ich so richtig Rabatz.« Wer

die ehemalige bildungspo­litische Sprecherin der Berliner Linksfrakt­ion aus ihrer Zeit im Abgeordnet­enhaus kennt, weiß, dass diese Drohung ernstzuneh­men ist.

Druck ist freilich nötig. Denn die Nutzungsze­it des neuen Ersatzgebä­udes ist lediglich auf fünf Jahre angelegt. Danach soll das »Haus ohne Namen« wieder weichen.

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