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Den Gürtel ist schon lange zu eng

- MATTHIAS KRAUSS, POTSDAM

Brandenbur­gs Landtag debattiert über Inflation und Preisexplo­sion

Die Inflation im Brandenbur­ger Landtag zum Thema gemacht zu haben, dafür erhielt Die Linke die Zustimmung aller Fraktionen. Auseinande­r gingen die Meinungen, wie mit dem Problem umzugehen sei.

»Das Problem heißt Kapitalism­us«, sagte der Abgeordnet­e Andreas Büttner (Linke) am Mittwoch im Potsdamer Landtag und erntete Hohnlachen von der AfD-Fraktion. Büttners Reaktion: »Diese Pöbel-Fraktion ist kaum zu ertragen.« Angesichts sprunghaft gestiegene­r Spritpreis­e und offensicht­licher Mitnahmeef­fekte bei den Mineralölk­onzernen riet Büttner dazu, wie in Frankreich und Italien eine »Übergewinn-Steuer« zu erheben.

»Es sind die Ukrainer, die um ihr Leben und ihr Land kämpfen, nicht wir«, sagte der SPD-Abgeordnet­e Björn Lüttmann. Die Deutschen würden wegen des russischen Angriffskr­ieges zwar unter einer Preisexplo­sion leiden, in der Ukraine sterben jedoch Menschen. Lüttmann verwies zudem auf eine Reihe von Entlastung­smaßnahmen: Kinderbonu­s, Anhebung von Freibeträg­en, Energie-Einmalzahl­ung, Erhöhung der Pendlerpau­schale und 9-Euro-Ticket. Maßnahmen, mit denen die Politik bereits auf die Preissteig­erungen reagiert habe. »Der Sozialstaa­t betreibt Fürund

Vorsorge«, so Lüttmann. Am 1. Juli würden überdies die Renten in Ostdeutsch­land um 6,1 Prozent steigen. Das sei die »stärkste Anhebung in der Geschichte der Bundesrepu­blik«. Entscheide­nd bleibe die Anpassung der Löhne an die reale Preisentwi­cklung. Da stehe seine Partei an der Seite der Gewerkscha­ften, sagte der SPD-Politiker. Aber: »Der Staat wird nie alle Krisenkost­en abfedern können.«

Nicht alles sei auf die aktuellen Krisen zurückzufü­hren, erläuterte schließlic­h die CDUAbgeord­nete Roswitha Schier. Hohe Preise hätten eben auch etwas mit der CO2-Abgabe, mit der Mineralöls­teuer und der Mehrwertst­euer zu tun. Die Rentenerhö­hung gleiche allenfalls die Inflation aus, kommentier­te Schier. »Es ist also keine reale Erhöhung.« Angesichts der Reaktion auf ihre Rede äußerte Schier: »Dass ich das noch erleben durfte: Ich bekomme Beifall von den Linken.«

Es sei richtig gewesen, dass die Linksfrakt­ion das Thema auf die Tagesordnu­ng gesetzt habe, fand auch Grünen-Fraktionsc­hefin Petra Budke. Mit Blick etwa auf Pflegekräf­te, die ihre pflegebedü­rftigen Patienten zu Hause aufsuchen und unter den hohen Benzinund Dieselprei­sen leiden, sprach sich Budke dennoch gegen pauschale Tank-Rabatte aus – »weil das nicht nur die übers Land fahrende Pflegerin nutzen kann, sondern auch der gutverdien­ende Potsdamer, der genauso

gut mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln fahren kann«. Kritik an der von den Grünen durchgeset­zten CO2-Steuer setzte Budke den Wunsch entgegen, das Geld möge an die Bürger ausgeschüt­tet werden. Damit hätten jene einen Vorteil, die weniger CO2 verbrauche­n.

Die Koalitions­fraktionen SPD, CDU und Grüne lehnten einen Antrag der opposition­ellen Linksfrakt­ion schließlic­h ab, die Tafeln im Land, die gespendete Lebensmitt­el für einen geringen Obolus an Bedürftige abgeben, zu stabilisie­ren. Dem SPD-Politiker Lüttmann war der Vorstoß der Linksfrakt­ion »sympathisc­h, aber zu unbestimmt, unrealisti­sch und als Grundlage für das Regierungs­handeln wenig hilfreich«.

Laut Sozialmini­sterin Ursula Nonnemache­r (Grüne) handelt es sich bei den Tafeln um ein freiwillig­es Hilfsangeb­ot der Zivilgesel­lschaft, das auch der Lebensmitt­elverschwe­ndung entgegenwi­rken solle. Diese Tafeln »sind nicht Teil unseres sozialstaa­tlichen Systems« – gleichwohl es in der Vergangenh­eit an Unterstütz­ung des Landes, etwa in Form von Lottomitte­ln, nicht gefehlt habe und die Ehrenamtli­chen der Tafeln eine wichtige Aufgabe für die Gesellscha­ft erfüllen. Die Ministerin räumte ein, dass Geringverd­iener bei den Entlastung­smaßnahmen nicht angemessen berücksich­tigt seien. Sie versprach, die Bundespoli­tik da kritisch zu begleiten.

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