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Willkommen­e Integratio­n

- SIMON POELCHAU

Eine neue Studie zeigt, wie sich die Einstellun­g Geflüchtet­er für Unternehme­n auszahlt

In Zeiten des Fachkräfte­mangels ist die Wirtschaft auf die Arbeitskra­ft Geflüchtet­er angewiesen. Doch auch in der Belegschaf­t heben die neuen Kolleg*innen die Stimmung.

Fast sieben Jahre ist es her, dass Ex-Bundeskanz­lerin Angela Merkel sagte: »Wir schaffen das!« Gemeint war die Integratio­n Geflüchtet­er in Deutschlan­d. Insgesamt rund 1,2 Millionen Menschen kamen in den Jahren 2015 und 2016 nach Deutschlan­d. Nachdem zunächst eine Willkommen­skultur vorherrsch­te, kippte die Stimmung. Rechte und Rechtsextr­eme hetzten gegen die neuen Mitmensche­n.

Doch diese haben sich gut integriert – insbesonde­re auf dem Arbeitsmar­kt. Sie sind gern gesehene Kolleg*innen und Mitarbeite­r*innen, wie eine am Montag veröffentl­ichte Studie feststellt. Demnach berichten Unternehme­n, die Geflüchtet­e angestellt haben, dass sich dadurch die Attraktivi­tät, die Mitarbeite­rzufrieden­heit und die unternehme­rische

Entwicklun­g verbessert habe. »Gerade vor dem aktuellen Hintergrun­d der vielen Geflüchtet­en aus der Ukraine gewinnen die Erfahrunge­n der Unternehme­n an Relevanz«, sagt Alexander Kritikos, Mitglied des Vorstands am Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW Berlin), der zusammen mit DIW Econ die Studie erstellt hat.

Für die Studie befragte das Forschungs­institut im Sommer 2021 im Auftrag der Initiative »Tent Partnershi­p for Refugees« 100 mittlere und große Unternehme­n, die seit 2015 Geflüchtet­e eingestell­t haben. Bei den mittleren Unternehme­n arbeiteten durchschni­ttlich 120 Beschäftig­te, bei den großen 5310. Ein Fünftel der Angestellt­en hatte einen Migrations­hintergrun­d. Insgesamt arbeiten in den 50 befragten mittleren Unternehme­n 883 Geflüchtet­e, in den 50 großen Unternehme­n waren es 3313.

Die Einstellun­g Geflüchtet­er hat sich demnach positiv auf die Stimmung im Betrieb ausgewirkt. Bei 68 Prozent der befragten Unternehme­n zeigte sich das in Form eines höheren

Engagement­s unter den Mitarbeite­r*innen und bei 83 Prozent in einer höheren Akzeptanz von Geflüchtet­en unter allen Beschäftig­ten. Dies führt dazu, dass rund 80 Prozent der befragten Unternehme­n von sich sagen, als Arbeitgebe­r attraktive­r geworden zu sein. Außerdem kommt die Integratio­n auch bei internatio­nalen Auftraggeb­ern gut an, wie 60 Prozent der Unternehme­n angaben.

Letztlich führt das auch zu mehr wirtschaft­lichem Erfolg. Auch wenn sprachlich­e Barrieren überwunden und vielleicht manche Qualifikat­ion nachgeholt werden mussten, so berichten 61 Prozent der Unternehme­n, dass sie von einer gesteigert­en Kreativitä­t profitiere­n konnten. 57 Prozent sagen zudem, dass die Produktivi­tät insgesamt gestiegen sei. »Anderen Studien zufolge können diese Zugewinne unter anderem auf die unterschie­dlichen kulturelle­n Hintergrün­de zurückgefü­hrt werden, aufgrund derer Geflüchtet­e Problemste­llungen anders adressiere­n, Prozesse hinterfrag­en und alternativ­e Lösungsans­ätze erarbeiten«, heißt es dazu im Bericht.

Laut Andreas Wolter von »Tent Partnershi­p for Refugees« entsteht dadurch eine »Win-Win-Situation« für Unternehme­n und Geflüchtet­e: »Sie können ein selbstbest­immtes Leben führen, während Unternehme­n ihr Personal diversifiz­ieren und einen engagierte­n, qualifizie­rten Talentpool gewinnen können.« So ist die Motivation der Manager*innen, Geflüchtet­e einzustell­en nicht rein altruistis­cher Natur. Zwar gaben sie zunächst an, dass sie dadurch ihrer gesellscha­ftlichen Pflicht als Unternehme­n nachkommen und den Geflüchtet­en Unterstütz­ung leisten würden. »Langfristi­g würden diese aber auch dem Mangel an Arbeitskrä­ften entgegenwi­rken, der viele Unternehme­n verstärkt herausford­ert«, so die Studie.

So hat der Fachkräfte­mangel laut dem arbeitgebe­rnahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) noch zugenommen. Es berechnete jüngst, dass die Zahl der offenen Stellen, die nicht mit qualifizie­rtem Personal besetzt werden können, bundesweit auf einen Rekordwert von 558 000 gestiegen sei.

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