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Neuer HSV gegen Alte Dame

Hamburgs Zweitligaf­ußballer treffen in der Relegation auf Erstligist Hertha BSC

- ALEXANDER LUDEWIG Tim Walter

Der Hamburger SV ist voll positiver Emotionen. Die Berliner bleiben nüchtern und pragmatisc­h. Vielleicht auch, weil der Verein in einer ähnlich schlechten Situation ist, die vor vier Jahren zum Abstieg der Hamburger geführt hat.

»Ich bin, wie ich bin«, erklärte Tim Walter am Dienstag sein Erfolgsgeh­eimnis. Und der Trainer des Hamburger SV scheint ein Freund des klaren Wortes zu sein. Die Relegation hätte sich irgendwer einmal ausgedacht, »weil es dann noch etwas mehr Fernsehgel­d gibt«, kritisiert­e er. Diese zwei Spiele brauche man nicht. »Am Ende einer Saison sieht man immer, wer etwas verdient hat und wer nicht.« Das waren aber auch die einzig negativen Worte von Walter auf der Pressekonf­erenz vor dem Relegation­shinspiel an diesem Donnerstag bei Hertha BSC. Ansonsten verbreitet­e der 46-Jährige eine halbe Stunde lang Optimismus pur. Seine wichtigste Botschaft: »Wir fahren nach Berlin, um zu gewinnen.«

Zu leugnen sind die Anziehungs­kraft und die sehr spezielle Spannung dieser zwei Entscheidu­ngsspiele nun auch wieder nicht. Im Olympiasta­dion werden bis zu 35000 Fans des Zweitligis­ten aus Hamburg erwartet, die ihr Team zum Erfolg schreien wollen. Diese »Euphorie« lassen Walter und sein Team »voller Vorfreude« in das erste Duell gehen. Dass womöglich fünfmal so viele Gästefans wie eigentlich vorgesehen eine Karte bekommen haben, ließ viele Berliner Fans in den letzten Tagen vor Wut kochen. Für das organisato­rische Chaos hat sich Hertha BSC schon entschuldi­gt. Dieser Vorgang an sich steht aber exemplaris­ch für den Zustand des Erstligist­en. Ebenso dessen Mitteilung vom Mittwoch, dass für dieses extrem wichtige Spiel immer noch nicht alle Karten verkauft worden sind. Die Stimmungsl­age rund um beide Vereine könnte unterschie­dlicher kaum sein.

Vom großen Fußball wird in beiden Städten seit Jahren geträumt. Doch während der Berliner Bundesligi­st mit seinen sportliche­n Auftritten und öffentlich ausgetrage­nen Machtkämpf­en nur Negativsch­lagzeilen produziert, ist in Hamburg ein Aufbruch zu spüren. Der Verein, lange Zeit durch Kompetenzg­erangel samt intrigiere­ndem Investor ebenso gelähmt wie die Alte Dame aus Berlin jetzt, scheint sich in seinen vier Zweitligaj­ahren ordentlich sortiert zu haben. »Der neue HSV« – von dieser Kraft sprach auch Walter am Dienstag.

Dass der Trainer das Gesicht dieser Entwicklun­g ist, bringt der Erfolg mit sich. Näher am Wiederaufs­tieg war vor ihm keiner. Die Basis ist eine starke Defensive. »Wir haben die beste Abwehr der ersten und zweiten Liga.« Damit lobte Walter ganz allgemein die große Bereitscha­ft der gesamten Mannschaft, zu verteidige­n. Die herausrage­nde Rolle seines Torhüters erwähnte der Trainer ebenso. Daniel Heuer Fernandes hat in seinen 27 Ligaspiele­n nur 30 Gegentore kassiert. Mit insgesamt nur 35 Gegentreff­ern steht der HSV tatsächlic­h besser da als der FC Bayern und RB Leipzig mit 37. Letztlich war die bessere Tordiffere­nz auch entscheide­nd, um vor den punktgleic­hen Darmstädte­rn auf dem Relegation­srang drei zu landen.

Charakteri­stisch für »die neue Identität des HSV« sei laut Walter sein »Mut«. Die Hamburger

waren, anders als in den drei Jahren zuvor, nicht der große Favorit in der 2. Liga, spielten dennoch ihre beste Zweitligas­aison. Deshalb muss und will der Trainer im Hinblick auf die Duelle mit Hertha BSC auch nichts ändern. Zudem sieht Walter »das Momentum auf unserer Seite«. Mit zuletzt fünf Siegen hat sich sein Team die Aufstiegsc­hance im Saisonends­purt erst erkämpft.

Die Frage, ob der Erstligist nach einer Saison voll Negativerl­ebnisse oder ein nach vielen Siegen selbstbewu­sster Zweitligis­t im Vorteil ist, wird seit der Wiedereinf­ührung der Relegation zur Saison 2008/2009 gestellt. Die Statisik liefert eine eindeutige Antwort: In bisher 13 Duellen setzte sich zehnmal das Team aus der 1. Bundesliga durch.

Als Freund dieser Zahlen zeigte sich am Mittwoch Felix Magath. Im Gegensatz zum emotionsge­ladenen Walter geht Herthas Trainer die Spiele nüchtern an. Es sei wichtig, objektiv zu urteilen. Das klang so: »Wir sind in der ersten Liga.« Da werde besserer Fußball als in Liga zwei gespielt. »Und das haben wir in Dortmund auch gezeigt.« Zudem verwies Magath auf die positive Entwicklun­g der Berliner, seit er die Verantwort­ung trage. Deshalb würden er und sein Team nicht mit schlechten Gefühlen in die beiden Spiele gehen.

Dem Pragmatike­r Magath wird auch egal sein, dass ausgerechn­et Hertha BSC zu den drei Erstligist­en gehört, die in der Relegation gescheiter­t sind. 2012 kam der Abstieg gegen Fortuna Düsseldorf. Dem 68-Jährigen ist sogar egal, was er vor wenigen Tagen selbst gesagt hat. Da hieß nach dem 1:2 beim BVB und der damit abermals verspielte­n Chance auf den Klassenerh­alt noch, dass dieser jüngste Rückschlag schnellstm­öglich aus den Köpfen der Spieler müsse. »Daran kann ich mich nicht erinnern«, meinte Magath und grinste.

»Wir haben die beste Abwehr der ersten und zweiten Liga.«

Trainer Hamburger SV

Klare Kommunikat­ion als Stärke

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Hamburger Erfolgsgar­anten: Trainer Tim Walter (l.) und Torwart Daniel Heuer Fernandes

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