nd.DerTag

Was nicht passt, wird passend gemacht

- ROBERT RESCUE

Vor einer Weile ist mein Zahnarzt weggezogen. Von seinem Nachfolger habe ich gehört, er sei in die Schweiz gegangen. Da war ich erstaunt, denn bis dato hatte ich gedacht, als Arzt könne man sich im Wedding keine goldene Nase verdienen, weil die Kunden alle bei gesetzlich­en Krankenkas­sen sind und, aufgrund von Armut, nur Leistungen in Anspruch nehmen können, die einen auf den Beinen halten, aber nicht heilen. Aber offensicht­lich habe ich mich getäuscht.

Der neue Zahnarzt kommt aus Ägypten und ich nenne ihn »Ramses«. Als ich das erste Mal bei ihm war, lief arabische Musik. Das fand ich nicht so gut, weil ich mir vorkam wie im Spätkauf oder beim Döner. Ich war der Einzige im Warteraum und dachte mir zweierlei Dinge: die anderen Kunden sind erbost darüber, dass der deutsche Zahnarzt in die Schweiz gezogen ist, ohne Bescheid zu sagen, oder aber die Kunden sind aus Treue mitgezogen.

Der neue Zahnarzt ist eigentlich Kinderzahn­arzt und ich musste mich erst daran gewöhnen, dass ich nach jeder Behandlung ein Spielzeug bekam. Beim ersten Mal gab es eine Mundspülun­g und da hat er mir was gegeben mit Himbeerges­chmack. Aber ich habe es stoisch ertragen und mit der Zeit kamen mehr Besucher.

Inzwischen hat sich herausgest­ellt, dass meine Zähne nicht in dem Zustand sind, wie ich es mir einrede. Ein paar Füllungen halten das Gebiss zusammen, aber zwei, drei Zähne haben Sanierungs­bedarf und einer davon sollte bald schon gemacht werden.

Am Anfang steht eine Silikonmas­se, die mit einer Spritze in den Mundraum verteilt wird. Als Patient denkt man über die Frage nach, wie sie den Abdruck wieder aus dem Mund herauskrie­gen. Was ist, wenn die Silikonmas­se härter ist als das Gebiss? Kommt dann ein Stemmeisen zum Einsatz? Wird der Unterkiefe­r ausgehebel­t?

Die Entfernung ist mit viel Ziehen und Wackeln verbunden, und vielleicht wird von Seiten der Dentalfach­kraft erwogen, das Stemmeisen einzusetze­n. Irgendwann löst sich die Form und man spürt, dass der Unterkiefe­r nahe dran war, nachzugebe­n.

Aus welchem Material soll die Krone sein? Ramses verrät mir, dass sich viele seiner Kunden Gold wünschen. Das ist nicht mehr der Wedding, den ich kenne. Keramik kann ich mir auch nicht leisten, also nehme ich Metall. Das gute Weddinger Metall.

Aber irgendwie sperrt sich mein Gebiss gegen die neue Krone. Erst feilt und fräst Ramses, dann gibt er auf, ruft den Zahntechni­ker, der feilt, fräst, steckt die Krone immer wieder in meinen Mund, Beißtest, passt nicht, scheiße.

Dann stellt er fest, dass irgendwas überlappt, so eine kleine Ecke, die verhindert, dass der Patient die Krone sofort lieb hat, sondern eher glaubt, man habe ihm einen Kiesel in den Mund gesteckt.

Zu Hause angekommen, betrachte ich den Mundraum im Spiegel. Wenn das so weitergeht, sehe ich in zehn Jahren aus wie der Beißer aus den JamesBond-Filmen. Ob da eine Filmrolle drin ist? Wenn ich davon ausgehe, wie viele Bond-Filme in zehn Jahren gedreht werden, könnte das sogar klappen.

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