Carsharing in der Mietzahlung inbegriffen
Die Autometropole Göteborg befindet sich im Wandel, eine benachbarte Insel ist komplett autofrei
Kungsparken in Göteborg ist mehr als ein Park. Fußgänger und Fahrradfahrer können durch ihn hindurch auf breiten Wegen die Stadt durchqueren und jeden Tag in der Innenstadt eine Pause ohne störende Verkehrsgeräusche genießen. So idyllisch geht es jedoch nicht überall zu: Auf der anderen Seite des Flusses, nicht weit des Bahnhof, liegt »Grönskastorget«, auf deutsch »der Gemüseplatz«. Heute wird hier kein Gemüse mehr verkauft, der einstige Marktplatz ist jetzt ein Parkplatz. Das würde die Initiative »Autofreie Innenstadt«, die die Partei Feministische Initiative (FI) mit Unterstützung von Linken und Grünen 2019 ins Leben gerufen hat, gerne ändern. Stina Svensson und Alexandra Angelbratt von FI erklären 2019 in einem Gastbeitrag in der schwedischen, liberalen Tageszeitung »Göteborgs-Posten«, sie wollen Göteborgs Innenstadt auf lange Sicht ganz von privaten Autos befreien. Das würde bedeuten, Parkplätze und Autostraßen in gemeinsam nutzbare Grünflächen zu verwandeln. Bisher ist der Vorschlag der Opposition noch nicht umgesetzt worden, aber die Stadt Göteborg ist bereits auf dem Weg, die Zahl der Autos in einzelnen Stadtteilen zu reduzieren.
So sollen zwei Stadtteile, die Trendbezirke Majorna und Hisingen, als Pilotprojekt eine zweispurige Fahrradstraße und eine einspurige Autostraße bekommen. Außerdem bietet der Autohersteller Volvo in Kooperation mit der Stadt eine Car-Sharing-Flatrate an, die in der Miete von einigen Wohngebieten inbegriffen ist. Das Ziel: Weniger Privatautos und weniger Parkplätze. Die Initiative ist Teil des EU-Projekts »Green Zone«, nach dem Göteborg bis 2030 komplett emissionsfrei werden soll. Jonas Eriksson, der in Göteborg für die Koordination der Projekte verantwortlich ist, hält dies auch für realistisch: »Wir können diese Ziele mit den heutigen, technischen Möglichkeiten absolut bis 2030 erreichen«, sagt er im Gespräch mit »nd.DieWoche«. Woran
noch gearbeitet werden müsse, seien effiziente Verkehrssysteme, zum Beispiel weniger Lastwagen, besser ausgebaute Rad- und Fußwege, und eine Verhaltensänderung hin zu weniger Autos und mehr Car-Sharing.
»Göteborg ist bereits sehr fahrradfreundlich«, sagt die Radfahrerin Sirpa Samuelsson. Sie bemängelt nicht fehlende Fahrradwege, sondern die Rücksichtslosigkeit der Autofahrer. Komplette Autofreiheit hält sie selbst in Göteborg jedoch für nicht realisierbar, dafür sei die Infrastruktur insgesamt noch zu schlecht: »Ich kenne so viele, die außerhalb wohnen, das ist einfach zu weit, um alles mit dem Fahrrad zu bewältigen.«
Im Süden der Großstadt, im Archipelago, finden sich bereits Orte ganz ohne Motoren. Auf der Insel Köpstadsö dürfen keine Autos oder Motorräder fahren. Man erreicht sie von Göteborg aus innerhalb einer halben Stunde mit der Fähre. Es gibt außerdem weder Einkaufsladen noch Gastronomie auf der Insel. Eddie Palmgren, der während der Pandemie dort virtuell an seinen Uni-Vorlesungen teilnahm, sagte, man gewöhne sich schnell eine andere Art zu leben an. Die Anwohner planten ihre Einkäufe langfristiger, die sie auf den anderen Inseln oder in Göteborg-Stadt tätigen. Die Waren transportieren sie mit Fahrrad und Schubkarren nach Hause. Den älteren Menschen, die selbst nicht mehr die Insel verlassen, werde das Essen auf Fahrrädern geliefert, so Palmgren. »Ich würde jederzeit gern wieder so leben«, sagt er, »vielleicht aber auf einer Insel mit wenigstens einem Laden«.