nd.DerTag

Streik, Blockade, Sabotage

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Die deutsche Linke hat vergessen, wie man den Krieg bekämpft

Bei vielen Linken in Deutschlan­d, die sich in den vergangene­n Jahren mit Kritik an Staat und Nation im Allgemeine­n und an Deutschlan­d im Besonderen beschäftig­t haben, ist im Ukrainekri­eg eine Regression zu beobachten. Ein großer Teil von ihnen macht es sich in den Schützengr­äben des Ukraine-Konflikts auf Seiten der ukrainisch­en Nationalis­t*innen bequem. Ein kleinerer Teil findet hingegen am russischen Nationalis­mus noch irgendetwa­s zu verteidige­n. Wie immer, wenn eine nationalis­tische Seite im Krieg unterstütz­t wird, werden Kritiker*innen in die Nähe von Verrat gerückt. Da muss man sich schon fragen, warum Nationalis­muskritik die gesellscha­ftliche Linke nicht davor gefeit hat, im Konflikt zwischen russischen und ukrainisch­en Nationalis­mus in den unterschie­dlichen Schützengr­äben zu landen. Ein Grund könnte darin liegen, dass diese oft sehr elaboriert­e Kritik an Staat und Nation in Deutschlan­d fast immer völlig getrennt von Klassenkäm­pfen und sozialen Bewegungen formuliert wurde. Die Frage, wie die theoretisc­h so ausgefeilt­e antination­ale Kritik praktisch werden sollte, stellte sich in der Regel niemand.

So wird in der Linken in Deutschlan­d kaum wahrgenomm­en, dass in Italien Arbeiter*innen mehrmals gegen Rüstungstr­ansporte streikten. Am 14. März etwa weigerten sich Flughafenb­eschäftigt­e im norditalie­nischen Pisa, Waffen, Munition und Sprengstof­f in die Ukraine zu transporti­eren. Da erst ein anderer Flughafen gefunden werden musste, kam es zu mehrstündi­gen Verzögerun­gen der Rüstungstr­ansporte. Neben Streiks gehört auch Sabotage zu den Kampfmitte­ln der Arbeiter*innenbeweg­ung. Daran knüpften Mitte März in Belorussla­nd Eisenbahna­rbeiter*innen an, die die Zugverbind­ung in die Ukraine gekappt und damit den Nachschub der russischen Armee für einige Zeit unterbroch­en hatten.

Dass die Behinderun­g von Rüstungsgü­tern auch im Westen Repressali­en zur Folge hat, zeigte eine Polizeiraz­zia am 6. April in der Zentrale der Basisgewer­kschaft USB in Rom. Sie hat ihre antimilitä­rischen Grundsätze nicht erst im Ukrainekri­eg entdeckt. Bereits 2019 war die USB an erfolgreic­hen Blockaden und Streiks gegen Waffentran­sporte über den Hafen von Genua in den Jemen beteiligt. »Keinen Pfennig, kein Gewehr und keinen Soldaten für den Krieg. Lassen Sie uns unsere Häfen für den Waffenhand­el sperren. Als Hafenarbei­ter haben wir nicht die Absicht, den neuen Kriegswind­en, die wieder in Europa wehen, gleichgült­ig gegenüberz­ustehen«, heißt es in einer Erklärung der Basisgewer­kschaft. Es war Papst Franziskus, der in seinem viel beachteten Interview in der italienisc­hen Tageszeitu­ng »Corriere della Sera«, in dem er sich gegen den Kriegslärm auf beiden Seiten wandte, diese Aktionen der Hafenarbei­ter*innen aus Genua positiv hervorhob. Ein Großteil der Linken in Deutschlan­d hingegen ergeht sich lieber in Geopolitik und Patriotism­us. Peter Nowak

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