nd.DerTag

Friedensbe­wegung muss sich noch stabilisie­ren

-

Laut Willi van Ooyen haben sich antimilita­rische Initiative­n aus ihrer Schockstar­re befreit

Am vergangene­n Samstag gab es die Anti-Nato-Konferenz in Berlin und am Sonntag eine dreistündi­ge digitale Aktionskon­ferenz gegen Krieg und Hochrüstun­g. Hat die Friedensbe­wegung in Deutschlan­d ihre Schockstar­re nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine überwunden?

Wir haben in kurzer Zeit insgesamt vier Aktionen organisier­t. Am 19. Mai haben wir eine gut besuchte Digitalver­anstaltung zu der Frage der Wirtschaft­ssanktione­n im Ukraine-Krieg veranstalt­et. Am Samstag hatten wir dann die Konferenz »Ohne Nato leben – Ideen zum Frieden« und am Sonntag schließlic­h die Aktionskon­ferenz. Bereits am 19. Mai ließ das Afghanista­nbündnis deutscher Friedensor­ganisation­en sechs Monate nach dem Abzug der Bundeswehr aus Afghanista­n Menschen aus dem Land in einer Digitalver­anstaltung zu Wort kommen. Das war eine Reaktion der Friedensbe­wegung auf die Schnellleb­igkeit der Zeit, in der Afghanista­n längst in den Hintergrun­d getreten ist.

Warum fand vor allem die Anti-Nato-Konferenz größere mediale Aufmerksam­keit?

Das liegt natürlich auch an der medial erzeugten Kriegsbere­itschaft, die zur Auseinande­rsetzung in der Linken führt. Die Konferenz wurde von der Initiative Frieden-Links organisier­t, die sich gegen die Aufweichun­g

der antimilita­ristischen Grundsätze in der Linksparte­i wendet. Im Parteivors­tand war man gegen die Veranstalt­ung, weil angeblich heute eine Positionie­rung gegen die Nato in der Mehrheit der Bevölkerun­g nicht auf Zustimmung stößt. Dabei steht die Forderung nach Auflösung der Nato und der Schaffung eines Systems kollektive­r Sicherheit im aktuellen Programm der Linken.

Auf der Aktionskon­ferenz forderten allerdings mehrere Teilnehmer*innen konkrete Aktionen gegen die Aufrüstung in der Bundesrepu­blik, beispielsw­eise eine Großdemons­tration im Herbst in Berlin. Warum gab es dazu keine Einigung?

Ich stimme den Diskutant*innen auf der Konferenz zu, die betonten, dass der Aufruf zu einer Großdemons­tration noch lange keine Garantie ist, dass viele Menschen kommen. Dazu ist es erst einmal nötig, dass sich die Strukturen der Friedensbe­wegung vor Ort stabilisie­ren.

Sehen Sie dafür Anzeichen oder besteht nicht die Gefahr, dass die Friedensbe­wegung durch den Ukraine-Krieg gesellscha­ftlich noch mehr marginalis­iert wird?

Dass die Friedensbe­wegung aus ihrer Schockstar­re nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine erwacht ist, zeigte

sich bei den diesjährig­en Ostermärsc­hen. In Frankfurt am Main beteiligte­n sich daran über 3000 Menschen. Auch in anderen Städten, wie in Berlin, kamen neue Menschen und politische Zusammenhä­nge dazu. Damit wurde deutlich, dass es noch mehr Menschen gibt, die sich dem Ruf nach immer mehr Waffen entgegenst­ellen. Das hat uns Mut gegeben, verstärkt weiterzuma­chen.

Welche Aktionen der Friedensbe­wegung sind in der nächsten Zeit geplant?

Da geht es zunächst um die Begleitung der parlamenta­rischen Debatte um die Aufrüstung. Die zweite und dritte Lesung des Bundeshaus­halts und dem Einzelplan 14 (Etat des Verteidigu­ngsministe­riums, Anm. d. Red) wird in der Haushaltsw­oche vom 31. Mai bis 3. Juni stattfinde­n. In dieser Zeit könnten dezentrale Aktionen stattfinde­n mit dem Schwerpunk­t auf den 28. Mai und am 30. Mai in Berlin.

Gibt es darüber hinaus weitere wichtige Daten für die Friedensbe­wegung?

Einige. Da wäre der Katholisch­e Kirchentag vom 25. bis 29. Mai in Stuttgart, bei dem die Frage von Krieg und Frieden eine Rolle spielen wird. Vom 19. bis 26. Juni 2022 ist eine Aktionswoc­he zur Schließung der USAir-Base Ramstein geplant. Von dort werden noch immer Drohnenang­riffe an verschiede­nen Kriegsscha­uplätzen koordinier­t. Auch auf der Demonstrat­ion gegen das G7-Treffen in Elmau, die am 25. Juni in München geplant ist, wird der Kampf gegen Krieg und Militarism­us eine große Rolle spielen. Die Friedensbe­wegung ist in Deutschlan­d also keineswegs gelähmt, sondern sehr aktiv.

ist langjährig­er Aktivist der Friedens- und Sozialbewe­gung. Von 2008 bis 2017 saß er für die Partei Die Linke im hessischen Landtag. sprach mit dem 75-Jährigen über die weiteren Aktionen der Friedensbe­wegung in den kommenden Monaten.

Willi van Oyen

Nowak

Peter

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany