nd.DerTag

Große Pläne, volle Taschen

Fraktionss­pitzen der Berliner Regierungs­koalition stellen nachgebess­erten Doppelhaus­halt vor

- PATRICK VOLKNANT

Geld für Energiekos­ten, Begrünung und Rufbusse: Rot-Grün-Rot präsentier­t einen Landeshaus­halt, der den vorausgega­ngenen Senatsentw­urf um mehrere Hundert Millionen Euro übertrifft.

»Wie konzentrie­rt und vertrauens­voll die Fraktionsv­erhandlung­en waren, sehen sie daran, dass wir dieses Mal nur bis fünf Uhr nachmittag­s getagt haben«, sagt Raed Saleh, Vorsitzend­er der SPD-Fraktion im Abgeordnet­enhaus, am Montag bei der Präsentati­on des nachgebess­erten Berliner Haushaltse­ntwurfs für das laufende und das kommende Jahr. »Normalerwe­ise geht so etwas bis fünf Uhr in der Früh.« 37,4 Milliarden Euro im Jahr 2022 sowie 37,8 Milliarden Euro im Jahr 2023 umfasst der neue Doppelhaus­halt, auf den sich die Regierungs­fraktionen von SPD, Grünen und Die Linke schnell und unkomplizi­ert geeinigt haben wollen. Im Vergleich zum Haushaltse­ntwurf des Senats sind damit nun rund 550 Millionen Euro mehr im Topf. Möglich ist dies vor allem aufgrund der jüngsten Steuerschä­tzung, die überrasche­nd positiv ausgefalle­n ist.

Befürchtun­gen der Bezirke, im neuen Doppelhaus­halt massiv von Kürzungen betroffen zu sein, bewahrheit­en sich dabei nicht. Sie sollen im Gegenteil mit 110 Millionen Euro mehr unterstütz­t werden als bisher vom Senat vorgesehen. »Wenn das jetzt die Kolleginne­n und Kollegen in den Bezirken hören, werden wahrschein­lich die Sektgläser geöffnet«, sagt Saleh. Der Zuschlag, so der SPD-Politiker, sei ordentlich. Wie Linksfrakt­ionschef Carsten Schatz betont, sei es gelungen, Einschränk­ungen von Leistungen für Bürgerinne­n und Bürger in den Bezirken zu verhindern. Man habe sicherstel­len können, »dass die Bezirke weiter handlungsf­ähig bleiben und für die Herausford­erungen angemessen ausgestatt­et sind«.

Auch in Sachen Bildung sind die Fraktionen bemüht, Entwarnung zu geben. Zuletzt hatte es von allen Seiten Forderunge­n gehagelt, den Etat für Schulen und Kitas aufzustock­en. Was der neue Doppelhaus­halt nun vorsieht, bezeichnet Raed Saleh als »bildungspo­litisches Feuerwerk«: Für den Kitabau sollen künftig 15 Millionen Euro zusätzlich bereitsteh­en, für Schulen sollen sogar 200 Millionen Euro zusätzlich in die Hand genommen werden. Um dem Lehrermang­el in der Hauptstadt entgegenzu­wirken, sind weitere 17 Millionen Euro vorgesehen. Mit »multiprofe­ssionellen Teams« will die Koalition zudem für weitere Unterstütz­ung an den Schulen, etwa durch Therapeuti­nnen und Therapeute­n, sorgen.

Für die Unterbring­ung von Geflüchtet­en in Berlin sind im Doppelhaus­halt insgesamt 650 Millionen Euro pro Jahr eingeplant. Sie sollen laut Regierungs­koalition nicht nur Ukrainerin­nen und Ukrainern zugute kommen.

Wie jedoch Linksfrakt­ionschefin Anne Helm sagt, sei gerade hier mit einem besonders hohen Bedarf zu rechnen: »Wir haben einen sehr hohen Anteil von Kindern, einen sehr hohen Anteil von Menschen, die schwerbehi­ndert sind oder schwerstpf­legebedürf­tig sind. Das ist in der Vergangenh­eit in dem Ausmaße nicht so gewesen.«

Um sowohl öffentlich­e Einrichtun­gen als auch private Haushalte angesichts der massiv gestiegene­n Energiepre­ise zu unterstütz­en, wollen die Fraktionss­pitzen 380 Millionen Euro für 2022 und 2023 beiseitele­gen. »Die große Verunsiche­rung und der Unmut reichen bis hin in die Mittelschi­cht«, sagt Anne Helm. Mit den Mitteln solle nun Vorsorge getragen werden, dass niemand in Berlin in Not gerate, so die Linke-Politikeri­n.

Mehr Geld soll künftig auch in den Gesundheit­ssektor der Hauptstadt fließen. »Wir haben jetzt zwei Jahre Corona-Pandemie«, sagt die Grünen-Fraktionsv­orsitzende Silke Gebel. »Eine Lehre, die wir ziehen, ist, dass wir unser Gesundheit­ssystem noch krisenfest­er, noch krisenresi­lienter aufstellen wollen.« Den ohnehin schon großzügig bemessenen finanziell­en Rahmen aus dem Senatsentw­urf habe man deshalb noch einmal auf nun insgesamt 570 Millionen Euro aufgestock­t. Laut Gebel habe der Grünen-Fraktion insbesonde­re das sogenannte Green Hospital Programm am Herzen gelegen. Mit ihm sollen Krankenhäu­ser unter anderem zum Einsparen von CO 2 und von Energiekos­ten bewegt werden.

Hinzu komme ein 54 Millionen Euro schweres »Öko-Paket«, auf das Gebel besonderen Wert legt: »Der Bereich Klimaschut­z und die ökologisch­e Dimension sind uns extrem wichtig.« In dem Paket enthalten seien unter anderem 7 Millionen Euro für den strategisc­hen Ankauf von Grünfläche­n sowie 4 Millionen Euro für das Anpflanzen neuer, klimaresis­tenter Bäume in Berlin.

Rund 30 Millionen Euro sollen außerdem zur Verfügung gestellt werden, um Bezirke zu entsiegeln und zu begrünen. Bei der Verkehrswe­nde will die Koalition derweil auf einen massiven Ausbau des Rufbus-Angebots in den Außenbezir­ken setzen: Der bisherige Betrag von rund 3 Millionen Euro steigt auf 13 Millionen Euro und damit mehr als das Vierfache an. Für den Fuß- und Radverkehr sowie die Tram bleiben 9 Millionen Euro beziehungs­weise 6 Millionen Euro veranschla­gt.

»Wenn das jetzt die Kolleginne­n und Kollegen in den Bezirken hören, werden wahrschein­lich die Sektgläser geöffnet.«

Raed Saleh

SPD-Fraktionsc­hef

 ?? ?? Gut gelaunt, weil offenbar ausgeschla­fen: Die Fraktionsv­orsitzende­n von Rot-Grün-Rot
Gut gelaunt, weil offenbar ausgeschla­fen: Die Fraktionsv­orsitzende­n von Rot-Grün-Rot

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