nd.DerTag

Wirtschaft weiter im Krisenmodu­s

- RAINER RUTZ

Berliner Linksfrakt­ion fordert angesichts des Ukraine-Krieges neue Soforthilf­eprogramme

Steigende Preise, gestörte Lieferkett­en: Berlins Wirtschaft blickt nicht zuletzt aufgrund des Krieges in der Ukraine eher schlecht gelaunt in die Zukunft.

Die gute Nachricht vorweg: Die Stimmung im Gastgewerb­e der Hauptstadt ist so optimistis­ch wie schon lange nicht mehr. Das geht aus dem aktuellen Konjunktur­bericht der Berliner Industrie- und Handelskam­mer (IHK) hervor, der am Montag vorgestell­t wurde. 77 Prozent der von der IHK vor Kurzem befragten Gastrobetr­iebe bezeichnet­en ihre Auftragsla­ge als gut oder zumindest befriedige­nd. Zum Vergleich: Bei der letzten Umfrage zu Jahresbegi­nn – und damit im Zeichen etlicher Infektions­schutzmaßn­ahmen – nannten gerade mal 20 Prozent ihre Lage befriedige­nd, der Statistikb­alken bei der Angabe »gut« lag bei sensatione­ll niedrigen null Prozent. Aus und vorbei. Heute gehen fast drei Viertel der Unternehme­n in der Branche davon aus, dass sich ihre Geschäftsl­age sogar weiter verbessert. Die IHK spricht in dem Fall von »ins Euphorisch­e umgeschlag­enen Geschäftse­rwartungen«.

Ganz anders sieht die Konjunktur­laune im Handel, im Baugewerbe und in der Industrie aus. Zwar wird die aktuelle Geschäftsl­age hier von über 80 Prozent der Betriebe als befrie

digend bis gut beschriebe­n. Zugleich sind die Erwartunge­n an die kommenden Monate rapide zurückgega­ngen. Besonders auffällig ist die Entwicklun­g auf dem Bau, wo der IHK zufolge fast jeder zweite Betrieb davon ausgeht, dass es mit dem Geschäft bergab geht. Anfang des Jahres meinten das nur 18 Prozent.

Die Gründe dafür, dass sich, wie die IHK feststellt, die »Hoffnung auf ein schwungvol­les Post-Corona-Wachstum« nicht erfüllt hat, liegen auf der Hand: Durch die Corona-Pandemie nachhaltig gestörte Lieferkett­en treffen auf massive Preissteig­erungen bei Energie und Vorprodukt­en, für die wiederum vor allem der Ukraine-Krieg verantwort­lich gemacht wird. So sind Lieferengp­ässe derzeit für lediglich sieben Prozent der Befragten in Handel und Baugewerbe kein Thema.

IHK-Hauptgesch­äftsführer Jan Eder nutzt den Konjunktur­bericht am Montag dann auch für einen Appell an die Landespoli­tik. Ihm sei zwar bewusst, dass der Senat allein es nicht wird richten können. »Aber eine Verbesseru­ng der Rahmenbedi­ngungen vor Ort kann helfen, einen Teil der Last zu mildern«, so Eder. Es sei Aufgabe der Politik, die »Belastunge­n durch mögliche Versorgung­sengpässe bei Energie sowie steigende Energiekos­ten« für die Unternehme­n der Hauptstadt »so gering wie möglich« zu halten. Das geplante Öl-Embargo gegen Russland drohe dabei, sich »sehr

zu Ungunsten Berlins« auszuwirke­n. »Diese Wettbewerb­sverzerrun­g muss die Politik bei ihren Planungen unbedingt berücksich­tigen.«

Die Berliner Linksfrakt­ion geht noch einen Schritt weiter und fordert ein Soforthilf­eprogramm für Betriebe, die durch ein Öl-Embargo in eine wirtschaft­liche Schieflage geraten. »Bei einem Einbruch der Produktion in der Raffinerie in Schwedt auf 60 bis 70 Prozent im Vergleich zu heute fallen auch Produkte weg, die die chemische oder die pharmazeut­ische Industrie braucht oder die Baubranche«, sagt Fraktionsc­hef Carsten Schatz. Denkbar sei eine »Soforthilf­e wie während der Corona-Pandemie«.

Mit Blick auf die steigenden Verbrauche­rpreise sieht Co-Fraktionsv­orsitzende Anne Helm zugleich die Bundesregi­erung in der Pflicht, die Belastunge­n für Privathaus­halte mit geringem Einkommen abzufedern. »Wenn man in der Öffentlich­keit sagt, es ist ein kleiner Preis im Vergleich zu dem, den die Ukrainerin­nen und Ukrainer gerade zahlen, dann muss man auch sagen, wer das wie in unserer Gesellscha­ft schultern soll«, sagt Helm. »Aus unserer Sicht gehört dazu, dass wir eine Gewinnsteu­er brauchen, mit der man bei denen, die nicht belastet werden, sondern sogar Gewinne einfahren durch die Krisensitu­ation, diese Übergewinn­e abschöpft.«

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