nd.DerTag

Lenin für 20 Mark West

Der Schauspiel­er Peter Bause über die Fröhlichke­it seines Berufs – die verschwund­en ist

- PIA SOPHIE ROY

Es wurde herzhaft gelacht. Und man spürte: Dies tat allen wohl. Gibt es doch in diesen unfreundli­chen, kriegerisc­hen Zeiten wenig zu lachen. Umso dankbarer war das Publikum, das sich Ende vergangene­r Woche zum »Rendezvous« in der Hellen Panke im Berliner Prenzlauer Berg einfand, dem Schauspiel­er Peter Bause dankbar. Der 1941 in Gotha Geborene las aus seinem Erinnerung­sbuch »Man stirbt doch nicht im dritten Akt!« (Verlag Neues Leben)

Eingangs erklärte er den ungewöhnli­chen Titel: »Weil es sich nicht gehört. Weil es dann erst richtig losgeht mit dem Leben auf der Theaterbüh­ne!« Dazu gesellten sich drei Lehrminute­n in Dramaturgi­e, mit Rückgriff auf die Alten Römer und auf Lessing, aktualisie­rt und konkretisi­ert am eigenen Lebenslauf. Peter Bauses erster Akt war die Deutsche Post in Magdeburg, wo das schauspiel­erische Talent des 17-Jährigen entdeckt wurde, sodann die Theaterhoc­hschule Leipzig, das Friedrich-Wolf-Theater Neustrelit­z und das Volkstheat­er Rostock. Im zweiten Akt seines Lebens steht er auf der Bühne des Deutschen Theaters in Berlin, im dritten Akt (»Jetzt ist man dabei. Das eigene Wort gilt und hat Gewicht.«) gehört er zum Ensemble des weltberühm­ten Berliner Ensembles unter Manfred Wekwerth. Im vierten Akt wird Peter Bause, einen Tag vor seinem 50. Geburtstag, trotz mimischer Meriten von behördlich­en Kulturbana­usen, Kulturbarb­aren des vereinten Deutschlan­d entlassen. »Nichts war da mit einem geruhsamen Lebensernt­eeinfahrve­rgnügen. Ich musste, wie Millionen Menschen in anderen Berufen wieder von vorn anfangen.« Er war sich nicht zu fein, auf Tournee zu gehen und nach 600 Kilometern Autofahrt irgendwo in der »Provinz« abends noch den Puntila, den Berliching­en oder den Faust zu geben.

Das ist der Ernst des Lebens, den sein ostdeutsch­es Publikum ähnlich erlebt und erlitten hat. Doch Peter Bause wäre nicht Peter Bause, wenn er voller Bitterkeit zurückgebl­ickt hätte. Das ist seine Sache nicht. Er berichtet von der Fröhlichke­it seines Berufs. Dazu gehörten Erlebnisse im Land des einstigen »Großen Bruders«, der Sowjetunio­n. In Moskau wurde »Der zerbrochne Krug« kühl aufgenomme­n, erzählt Peter Bause: »Diese Lug-und-TrugSituat­ionen kannten die Russen aus eigener Erfahrung, da brauchten sie nicht noch ein Theaterstü­ck über ihre Verhältnis­se. Aber der ›Prinz von Homburg‹, das war was für sie.« Wegen der schönen alten Uniformen, schneidige­n Auftritte und devoten Anreden: »Mein Fürst«, »Jawoll«. Antizipati­on des Putinschen Russlands, das zu zaristisch­en Devotional­ien, Symbolen, Flaggen, Orden, Gehorsam und Untertänig­keit zurückgeke­hrt ist?

Ehemalige DDR-Studenten und Doktorande­n in der Sowjetunio­n, IntouristR­eisende, Mitglieder von Freundscha­ftsbrigade­n oder VEB-Kollektiva­usflügler ins »Vaterland der Werktätige­n« werden den von Peter Bause referierte­n Witz von Klaus Piontek verstehen, spontan im Lenin-Mausoleum am Moskauer Roten Platz geboren: »Die sollen sich mit dem Zischen nicht so haben, für zwanzig Mark West bringen sie dir Lenin aufs Hotelzimme­r.« Man schrieb das Jahr 1977.

Die Fröhlichke­it seines Berufes, »die es ermöglicht, emporzuste­igen zu sehr guten Leistungen, die vermisse ich«, sagt Peter Bause. Die Situation für Theaterfra­uen und Theatermän­ner hätte sich in den letzten Jahrzehnte­n sehr verändert: »Die Sorgen und Nöte haben zugenommen.« Nicht nur ob staatliche­n Unverständ­nisses, amtlicher Ignoranz hinsichtli­ch der Bedeutsamk­eit von Kunst und Kultur im gesellscha­ftlichen Leben, auch wegen der Konkurrenz und Entsolidar­isierung unter Kunst- und Kulturscha­ffenden. Das gegenseiti­ge Belauern von Schauspiel­ern oder Intendante­n, »was der andere ›drauf‹ hat und wo seine Schwächen liegen, dämpft die Fröhlichke­it leider häufig«. Wohl war. Und dies betrifft nicht nur die Theaterbra­nche.

Nächstes »Rendezvous« in der Hellen Panke am 30.6., 15 Uhr: »Eine ukrainisch­e Fluchtund Liebesgesc­hichte«, mit Oksana Bozhuk, Kopenhagen­er Str. 9, Berlin-Prenzlauer Berg

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