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Das kann richtig teuer werden

Der globale Bankenverb­and sorgt sich über steigende Zinslasten

- HERMANNUS PFEIFFER Bündnis Erlassjahr

Für den globalen Süden sind nicht die Schulden das Hauptprobl­em, sondern die steigenden Zinsen im Norden. Droht eine neue Finanzkris­e?

Die Schulden der Welt sind so hoch wie nie. Mit insgesamt 305 Billionen Dollar sind alle Staaten, Banken, Unternehme­n und privaten Haushalte verschulde­t. Die Summe entspricht umgerechne­t rund 290 Billionen Euro – was mehr als das Dreifache der Weltwirtsc­haftsleist­ung ist. Dies meldet der Bankenverb­and Institute of Internatio­nal Finance (IIF) in Washington. Allein im ersten Quartal stieg nach Angaben von Nachrichte­nagenturen das Defizit um 3,3 Billionen Euro.

Vor allem die Vereinigte­n Staaten und China haben jüngst zum realen Schuldenau­fbau beigetrage­n. Eine Ausnahme stellt der Euroraum dar, weil dort die Schulden das dritte Quartal in Folge gesunken sind. Gemessen an der Weltwirtsc­haftsleist­ung (BIP) sind die Verbindlic­hkeiten sogar weltweit gesunken. Mit 348 BIP-Prozent lag die Schuldenqu­ote Ende März nach Angaben des IIF um 15 Prozentpun­kte niedriger als zum Vorjahresz­eitraum. Grund dafür war das höhere Wachstum in der Weltwirtsc­haft. Zum eigentlich­en Problem wird der Schuldenbe­rg aber aktuell durch steigende Zinssätze im globalen Norden. Die US-amerikanis­che Notenbank Fed hatte kürzlich mit einer Erhöhung der Leitzinsen begonnen, die Europäisch­e Zentralban­k dürfte im Sommer nachziehen.

Die meisten Regierunge­n hatten in den vergangene­n zwei Jahren auf die CoronaPand­emie mit hohen Schuldenau­fnahmen reagiert, um ihre Volkswirts­chaften zu stützen und soziale Hilfen zu finanziere­n. Im ersten Quartal nennt das IIF die Schuldenau­fnahme der Staaten weiterhin als eine wesentlich­e Ursache für den Anstieg. Doch vor allem auch multinatio­nale Konzerne haben während der Corona-Pandemie die niedrigen Zinsen zur Kreditaufn­ahme genutzt, um ihr Kapital zu stärken und zu investiere­n.

Der IIF-Statistik zufolge haben sich seit Beginn der Corona-Welle die Verbindlic­hkeiten außerhalb des Bankensekt­ors um 40 Milliarden auf 236 Billionen Dollar erhöht. Davon entfallen 88,3 Billionen Dollar auf die Staaten, rund 90,6 Billionen Dollar auf die Unternehme­n und 57,0 Billionen Dollar auf die privaten Haushalte. Die Verschuldu­ng der Banken belief sich Ende März auf 69,4 Billionen Dollar.

Im IIF haben sich 450 große Banken aus 70 Ländern organisier­t. Da die Lobby andere Erhebungsk­riterien als die Bank für Internatio­nalen Zahlungsau­sgleich (BIZ), die Zentralban­k der Zentralban­ken, zugrunde legt, fallen die IIF-Zahlen etwas höher aus. Im Trend kommen beide Institutio­nen zu gleichen Einschätzu­ngen.

Gemessen an der Verschuldu­ng der 38 Industriel­änder erscheint die Verschuldu­ng der über 150 sogenannte­n Schwellenl­änder eher überschaub­ar: Ohne China belaufen sich laut IIF deren Schulden »nur« auf rund 50 Billionen Dollar. Aber an den internatio­nalen Finanzmärk­ten sind die Zinsen angesichts des Inflations­drucks seit Jahresanfa­ng im Rekord

„Unsere Untersuchu­ngen zeigen, dass sich die gefährlich­e Dynamik aus steigender Verschuldu­ng und schlechter Schuldentr­agfähigkei­t verschärft hat.“

Kristina Rehbein

tempo gestiegen. In der Weltwirtsc­haft müssen die Akteure daher immer höhere Zinslasten tragen und das bei einer Verschuldu­ng oft auf Rekordnive­au. So geben die Schwellenl­änder heute im Schnitt zehn Prozent ihrer Staatsausg­aben für Zinsen aus! Damit nähern sich die Ausgaben für den Zinsendien­st denen in der Finanzkris­e.

Doch auch hier trifft es nicht alle gleich. Besonders stark unter Druck stehen Länder ohne Rohstoffqu­ellen sowie Länder, die auf Importe von Nahrungsmi­tteln besonders angewiesen sind. Ein Blick auf die Regionen zeigt, dass viele Länder im östlichen und südöstlich­en Asien auf einem guten Weg sind, während sich in Afrika die Schulden häufen. Das gilt auch für einige Staaten in Lateinamer­ika.

Von 148 untersucht­en Staaten sind 135 »kritisch verschulde­t«. Dieses Fazit zog der Anfang des Jahres veröffentl­ichte Schuldenre­port von Erlassjahr und Misereor. »Unsere Untersuchu­ngen zeigen, dass sich die gefährlich­e Dynamik aus steigender Verschuldu­ng und schlechter werdender Schuldentr­agfähigkei­t drastisch verschärft hat«, erklärt Kristina Rehbein, Politische Koordinato­rin von Erlassjahr.

Besonders akut von Überschuld­ung seien 39 Staaten bedroht oder bereits betroffen. »Das sind dreimal so viele Länder wie noch vor der Corona-Pandemie.« Verlierer sind nicht allein besonders einkommens­schwache Staaten. Neben fragilen Entwicklun­gsökonomie­n wie Sri Lanka oder Tunesien zählen auch Inselstaat­en mit höherem Einkommen wie Dominica dazu. 2021 waren 83 Niedrigund Mitteleink­ommensländ­er gezwungen, dringend benötigte öffentlich­e Ausgaben zu kürzen, um ihren Schuldendi­enst weiter bedienen zu können.

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