Argentinien setzt auf Gentech-Weizen
Nach der Zulassung durch die Regierung sind Exporteure und Landwirte sauer
HB4-Weizen heißt eine genmanipulierte Sorte aus Argentinien, die dem Klimawandel besser trotzen soll. Doch Exportfirmen und Getreideanbauende befürchten Umsatzeinbußen.
Argentiniens Regierung hat den Handel und den Anbau einer Sorte genmanipulierten Weizens genehmigt. »Dieser ermöglicht es, in Gebieten mit größerer klimatischer Instabilität den Ernteertrag zu garantieren«, erklärte Agrarminister Julián Domínguez. Wegen der anhaltenden Unsicherheit durch den Klimawandel könne dieser gentechnologische Fortschritt den Weizenanbauenden nicht vorenthalten werden. Doch gerade bei diesen stößt die Entscheidung auf Widerstand.
Bei der genetischen Veränderung kommt die sogenannte HB4-Technologie zum Einsatz. Dabei wird dem Weizengenom ein Sonnenblumen-Gen eingesetzt, das eine erhöhte Toleranz gegenüber Wassermangel hat. Die neue Sorte soll dadurch in Trockenperioden bis zu 20 Prozent höhere Erträge ermöglichen als konventioneller Weizen.
Die Manipulation ist der Biochemikerin Raquel Chan vom Instituto de Agrobiotecno
logía del Litoral in der zentralargentinischen Stadt Santa Fe sowie der Wissenschaftsbehörde Conicet zu verdanken. Chan war es bereits gelungen, das Sonnenblumen-Gen in das Sojagenom einzusetzen. China hatte Ende April den Import von HB4-Soja genehmigt und reihte sich damit nach den USA, Kanada, Paraguay und Brasilien in die Liste der Staaten ein, in denen der Anbau und die Vermarktung von HB4-Soja »Hecho en Argentina« genehmigt sind und die zusammen rund 85 Prozent der weltweiten Produktion ausmachen.
Bisher waren in Argentinien nur die Weiterverarbeitung und der Konsum von Mehl aus genmanipuliertem Weizen zugelassen, nicht aber der Verkauf von Saatgut. Die Aussaat war nur in geringem Umfang und unter strengen Auflagen möglich. Zuletzt wurde deren Erntevolumen auf knapp 150 000 Tonnen geschätzt. Eine verschwindend geringe Menge im Vergleich zu den jährlich 150 Millionen Tonnen Weizen, die auf dem Weltmarkt gehandelt werden und zu denen Argentinien als siebtgrößter Exporteur rund 14 Millionen Tonnen beiträgt. Davon geht der größte Teil in die südamerikanischen Nachbarländer, vor allem nach Brasilien.
Treibende Kraft bei der Kommerzialisierung und bisher einziger Hersteller von HB4Weizensaatgut ist Bioceres. Das 2001 gegründete argentinische Gentech-Unternehmen kann auf einen reichen Erfahrungsschatz bauen. Zu den Gründern gehören einige Pioniere des Gentech-Sojaanbaus.
Doch anders als bei der Gentech-Soja, die Argentiniens Felder ab der Jahrtausendwende nahezu widerstandslos eroberte, stößt der Anbau von genmanipuliertem Weizen bei Landwirt*innen und Exportfirmen auf entschiedene Ablehnung. Diese befürchten Umsatzeinbußen durch ein mögliches Importverbot einiger Käuferländer, die eine Kontaminierung konventioneller Weizensorten bei einem freien Anbau von HB4-Weizen befürchten.
Entsprechend groß ist die Aufregung: »Wir werden kein einziges Korn HB4-Weizen beim Verladen akzeptieren, das auf dem Markt auf absolute Ablehnung stößt«, wetterte der Vorsitzende des Getreideexportzentrums CEC, Gustavo Idígoras, nach der Genehmigung. Nicht anders ist der Tenor beim Gros der Weizenanbauenden.
Die Bioceres-Lobbyist*innen nehmen denn auch speziell die Genehmigungsbehörden in den Abnehmerländern ins Visier. Je mehr Länder die Einfuhr und den Konsum von transgenem Weizenmehl genehmigen, desto geringer wird der heimische Widerstand sein, so das Kalkül. In Brasilien sowie vergangene Woche in Australien und Neuseeland waren sie bereits erfolgreich. Hier sind der Import und die Verwendung von Mehl aus HB4-Weizen genehmigt, aber nicht der Verkauf und Anbau von HB-4-Saatgut. Auch in der EU liegt ein Genehmigungsantrag vor.
Um die Wogen zu glätten, hat Bioceres angekündigt, den Verkauf von HB4-Weizensaatgut zunächst auf rund 250 ausgewählte Betriebe zu beschränken, die die gesamte Ernte beim Saatguthersteller abliefern müssen. Was als Präventionsmaßnahme gegen eine Vermischung mit konventionellen Weizensorten angepriesen wird, soll in erster Linie verhindern, dass die Produzierenden einen Teil der Ernte als zukünftiges Saatgut zurückhalten.
In der Debatte geht unter, dass dem HB4Weizen auch das Resistenz-Gen gegen das Herbizid Glufosinat-Ammonium eingebaut wurde – dessen Wirkung gilt als toxischer als das von Glyphosat. Nach dessen jahrzehntelangem Einsatz sind zahlreiche als Unkraut abqualifizierte Pflanzen resistent. Beide Wirkstoffe vertreibt übrigens die Bayer AG.