Erziehung zur Demokratie
30 Jahre politische Bildung im Land Brandenburg
Kontroverse Themen anschneiden und auch so darzustellen, das ist die Aufgabe der staatlich geförderten politischen Bildung. Zu Beginn ihrer Arbeit kämpfte die Brandenburger Landeszentrale vor allem gegen Hass und Gewalt von Neonazis.
Natürlich ist Martina Weyrauch wichtig, dass es in ihrer Arbeit nicht darum geht, die Meinung der jeweiligen Regierung zu haben und sie den Leuten mehr oder weniger geschickt überzustülpen. Sie leitet Brandenburgs Landeszentrale für politische Bildung. Kontakte gebe es zu 150 Initiativen im Bundesland, sagt Weyrauch. Sie schwärmt: »Eine tolle Trägerlandschaft.«
Nicht wenig Geld fließt in Projekte der politischen Bildung, die gleichsam »von unten« entstanden sind. Grundlage ihrer Arbeit ist der »Beutelsbacher Konsens«, in dem sich die politische Bildung in Deutschland beispielsweise vorschreibt, kontroverse Themen zu behandeln und sie auch als kontrovers vorzuführen.
Ziel der politischen Bildung sei es, »unsere verfassungsmäßige Ordnung zu verstehen, sich kritisch mit unterschiedlich diskutierten Fragen zu Geschichte und Gegenwart auseinanderzusetzen und eigenes demokratisches Engagement zu stärken«. Gefördert werden vielfältige Formate der außerschulischen politischen Bildung. Gefördert beziehungsweise ausgerichtet werden Seminare, Workshops, Vorträge, Ausstellungen, Theaterprojekte und Filmvorführungen. Zu den Grundregeln gehört: Die geförderten Veranstaltungen dürfen für die Teilnehmenden nicht verpflichtend sein und müssen grundsätzlich allen Brandenburgern offenstehen. Weyrauch zufolge gilt es heute, »lähmendes Desinteresse« zu überwinden.
Nach eigenem Bekunden tritt die Landeszentrale an gegen Obrigkeitsdenken und Konsummentalität. Als sie vor 30 Jahren ins Leben gerufen wurde, hatte Brandenburg den Ruf einer Hochburg der Neonazis und sie ist spezialisiert auf das Ziel, dass Hass und Gewalt keine Mittel der politischen Auseinandersetzung sein dürften. Vermittelt wird die Vorstellung, dass Konflikte prinzipiell mit dem legalen Instrumentarium und damit friedlich lösbar seien, gleichwohl nichts von allein geschieht. »Rummotzen ist bequem«, sagt Weyrauch. Manchmal sei eben auch ein Tritt in den Hintern nötig. Mit diesem Motto »Auf dich kommt es an« will sich Weyrauch an die Einwohner des Landes wenden. Sie ist überzeugt, dass politische Bildung »jeden Morgen neu beginnt«. In den Zeiten der Corona-Pandemie »waren wir ein Stück Seelsorgeinstitution«, informiert Weyrauch. Täglich habe es Anrufe mit der Bitte um Hilfe gegeben. Aber: »Wir schaffen nicht alles allein.«
Christine Reich ist Geschäftsführerin der Jugendbildungsstätte »Kurt Löwenstein«, die mit der Landeszentrale für politische Bildung zusammenarbeitet. Reich vertritt die Ansicht, politische Bildung sei nicht als »Prävention« zu verstehen, sie müsse sich auch dem Erlebnis sozialer Ungleichheit und politisch-gesellschaftlicher Entkopplungsprozesse stellen. Ilona Tkocz, Bildungsreferentin im Schloss Trebnitz Bildungs- und Begegnungszentrum e.V., warnt davor, komplizierte Vorgänge vereinfachen zu wollen, Hintergrund der politischen Bildung auch in Brandenburg sei nicht zuletzt die erlebte Spaltung der Gesellschaft. Fritz Habekuß vom Kirchbauverein Lindenberg ist auch ein Kooperationspartner der Landeszentrale. Er fordert, nicht allein darauf zu achten, was in den Städten passiert.
Martina Weyrauch als langjährige Leiterin der Landeszentrale für politische Bildung war im Zuge der Enquetekommission des Landtags zur Aufarbeitung der Nachwendejahre in der Legislaturperiode bis 2014 Verdächtigungen ausgesetzt. Sie hatte nach 1990 als Büroleiterin von Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) gearbeitet und davor in der DDR an der Potsdamer Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften. Wie auch im Falle von Richtern, Staatsanwälten und Polizisten, die aus der DDR übernommen worden waren, kam es bei Weyrauch gar nicht darauf an, ihr etwaiges Fehlverhalten nachzuweisen. Einzig die »Herkunft« aus einer DDR-Struktur genügte schon für Anfeindungen. Tatsächlich hat Weyrauch in ihrer Funktion der politischen Bildung keinen Anlass für den Verdacht gegeben, sie sei milde in der Beurteilung der DDR. Eher im Gegenteil.