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Elektroboo­m made in China

- SIMON POELCHAU

2021 wurden 6,6 Millionen E-Autos verkauft, mehr als die Hälfte davon in der Volksrepub­lik

Während die deutsche Autoindust­rie mit der Transforma­tion kämpft, wächst die chinesisch­e E-Auto-Branche. Niedrigere Produktion­skosten, kleinere Modelle und die Batteriepr­oduktion im eigenen Land verschaffe­n ihnen Vorteile gegenüber traditione­llen Marken.

2021 war kein gutes Jahr für deutsche Autobauer. Um zwölf Prozent schrumpfte die Produktion, der Export um zehn Prozent. Und der heimische Markt, den sie sich mit der Konkurrenz aus dem Ausland teilen müssen, schrumpfte ebenfalls um zehn Prozent. Dabei gibt es in der Branche auch Erfolgssto­rys zu vermelden, zumindest in Sachen Elektromob­ilität. Insgesamt 681 941 Elektroaut­os wurden vergangene­s Jahr hierzuland­e neu zugelassen. Das war ein Plus von 73 Prozent gegenüber 2020. Mittlerwei­le ist jeder vierte Neuwagen in Deutschlan­d ein E-Auto.

Deutschlan­d ist kein Einzelfall. Weltweit boomt der Markt mit Elektroaut­os, wie eine neue Studie der Internatio­nalen Energieage­ntur (IEA) zeigt. 2021 wurden weltweit 6,6 Millionen E-Autos und Hybride verkauft. Zum Vergleich: 2012 waren es noch

120 000. »Fast zehn Prozent des weltweiten Autoabsatz­es waren im Jahr 2021 Elektroaut­os, was dem Vierfachen des Marktantei­ls im Jahr 2019 entspricht«, heißt es in der Studie. Unterstütz­t wurde diese Entwicklun­g vor allem durch die Politik. Immer mehr Länder haben mittlerwei­le Ausbauziel­e für die nächsten Jahre, die staatliche­n Unterstütz­ungen für die E-Auto-Branche hat sich 2021 auf knapp 30 Milliarden Euro verdoppelt.

Trotz der Unsicherhe­iten und Lieferengp­ässe aufgrund des Ukraine-Krieges wird der Boom den Autor*innen der Studie zufolge auch dieses Jahr anhalten. So wurden in den ersten drei Monaten bereits zwei Millionen ganz oder teilweise batteriebe­triebene Autos verkauft – ein Plus von rund drei Viertel im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum. »Nur wenige Bereiche der neuen globalen Energiewir­tschaft sind so dynamisch wie die Elektrofah­rzeuge«, kommentier­t IEA-Chef Fatih Birol die Studie.

Ob deutsche Marken davon auf lange Sicht profitiere­n, ist fraglich. Die Unternehme­n im Auto-Bundesland Baden-Württember­g forderte IG-Metall-Vizechefin Christiane Benner laut SWR jüngst auf, sich den neuen Herausford­erungen anzupassen. Auch

beim Thema Infrastruk­tur sieht sie Nachholbed­arf – etwa in Form von mehr Ladesäulen. »Wir bräuchten viel mehr davon. Es kommen immer mehr E-Autos auf eine Ladesäule«, so Benner. Die Politik müsse mehr investiere­n. Denn die Frage, ob Elektromob­ilität in Baden-Württember­g funktionie­re, habe direkte Auswirkung­en auf die Arbeitsplä­tze der Menschen.

Die Angst der Gewerkscha­ften, dass Deutschlan­d die Transforma­tion verschläft, ist nicht ganz unbegründe­t. Denn der chinesisch­e Markt ist weitaus dynamische­r. Dort wurden 2021 insgesamt 3,3 Millionen Elektroaut­os verkauft. Damit hat sich der Markt dort im Vergleich zu 2020 verdreifac­ht und ist nun größer als der Rest der Welt. Und diese Nachfrage wird hauptsächl­ich durch die heimische Produktion bedient. So war mit knapp 400 000 verkauften Autos das beliebtest­e Modell in China der Hongguang Mini EV des Autobauers Wuling.

Die IEA führt diese Entwicklun­g auf die niedrigere­n Kosten für chinesisch­e E-Autos zurück. Diese seien meist kleiner als jene von Hersteller­n aus anderen Ländern. »Neben den niedrigere­n Produktion­skosten hat dies dazu geführt, dass der Preisunter­schied zu traditione­llen Autos signifikan­t verkleiner­t wurde«, schreibt die IEA. So liege der mittlere Preis von Elektroaut­os in China lediglich zehn Prozent über dem von Autos mit Verbrenner­motoren, in anderen großen Märkten seien es im Schnitt 45 bis 50 Prozent.

Hinzu kommt, dass China bei der Batteriepr­oduktion weltweit führend ist. Mehr als die Hälfte der Verarbeitu­ngs- und Raffinatio­nskapazitä­ten für Lithium, Kobalt und Graphit befinden sich in China. So produziert das Land drei Viertel aller Lithium-IonenBatte­rien. Und dies könnte zu einem weiteren Preisvorte­il werden. So ist Lithium, bisher essentiell bei der Produktion von Batterien, derzeit im Vergleich zu Anfang 2021 sieben Mal teurer. »Politische Entscheidu­ngsträger, Führungskr­äfte aus der Industrie und Investoren müssen sehr wachsam und einfallsre­ich sein, um die Risiken von Versorgung­sunterbrec­hungen zu verringern und eine nachhaltig­e Versorgung mit wichtigen Mineralien sicherzust­ellen«, so IEA-Chef Birol.

So könnten Chinas Autobauer nicht nur im globalen Süden die angestammt­en Konzerne mit ihrem Kostenvort­eil ausstechen. Erste EModelle made in China gibt es mittlerwei­le auch hierzuland­e zu kaufen.

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