nd.DerTag

Auf der Suche nach einem Impfstoff für den Weihnachts­mann

Das Meißner Haus bei Innsbruck ist ein Treffpunkt für Familien mit Kindern

- STEFAN HERBKE

Die Liebe zu den Bergen verdankt Sven Deppe seinen Großeltern. »Mit denen war ich als Kind immer wieder beim Wandern«, erinnert er sich, »und nachdem ich das Buch ›In eisige Höhen‹ von John Krakauer gelesen hatte, war mein weiterer Weg quasi vorgegeben.« Nach der Ausbildung zum Bankkaufma­nn nutzte er die Chance, an den Tegernsee zu wechseln – und damit den Bergen ganz nah zu sein. Einerseits ging ein Traum in Erfüllung, anderersei­ts »war das ganz schön frustriere­nd – da saß ich bei schönstem Wetter im Büro und konnte nur aus dem Fenster schauen«, blickt er zurück, »und am Wochenende stehst du in der gleichen Autoschlan­ge wie alle anderen auch.«

Nach drei Jahren zog er die Reißleine und bewarb sich mit seiner damaligen Freundin auf der Tegernseer Hütte. Mit Erfolg. Nach drei weiteren Jahren war es genug mit der Hüttenausb­ildung und Zeit für eine eigene Hütte. Gesucht wurde ein ganzjährig geöffneter Stützpunkt, wobei der nicht über der Waldgrenze liegen sollte. »Wir wollten zwar in die Berge, aber schon noch etwas Natur im Sinn von Bewuchs um uns herum«, erklärt Sven. »Wir haben uns dann das Meißner Haus angeschaut und schnell gesehen, dass die Hütte perfekt zu uns passt – du bist in einer halben Stunde in Innsbruck und gleichzeit­ig kriegen wir nichts von der Stadt mit, da uns der Patscherko­fel ganz gut abschirmt.«

Man könnte auch sagen, das im Jahr 1926 erbaute Meißner Haus verstecke sich regelrecht hinter dem Patscherko­fel. Von der Hütte im einsamen Viggartal sieht man vor allem Wald, nur talauswärt­s zeigen sich zwischen den Bäumen ein paar Gipfel der Stubaier Alpen – für eine Hütte in den Bergen ist die Aussicht dürftig. Oder wie Sven sagt: »Der direkte Ausblick ist ja nicht der allerspekt­akulärste, aber das Meißner Haus ist halt ein wunderschö­ner Ausgangspu­nkt.«

Und das Gebiet ist trotz der Nähe zu Innsbruck überrasche­nd einsam. Die Hütte selbst ist zwar ein beliebtes Ausflugszi­el, vor allem für Mountainbi­ker, doch die Gipfel über dem Viggartal werden eher selten bestiegen. »Wenn du an den Blauen Seen entlang Richtung Kreuzspitz­e gehst, dann triffst du im Hochsommer mal drei, vier Leute«, erzählt Sven, »das war’s dann aber auch. Wir liegen an keinem Weitwander­weg, sondern wir sind eine Standorthü­tte und Ausgangspu­nkt für weniger bekannte, aber dennoch sehr schöne Gipfeltour­en.«

Dennoch ist das Meißner Haus mehrere Wochen im Jahr ausgebucht. Zu verdanken ist das dem Wunsch der Sektion »etwas mit Familien zu machen«. Für Sven Deppe war die Vorgabe kein Problem. »Den Sommer 2006 haben wir genutzt, um uns mit der Gegend vertraut zu machen«, erzählt er, »dabei haben wir schnell erkannt, dass das Gebiet ideal für Familien ist.« Ein Jahr später starteten die Bergferien für Familien, die anfangs im Zwei-Wochen-Rhythmus stattfande­n – und mittlerwei­le aufgrund des Erfolges in den Pfingst- sowie den kompletten Sommerferi­en angeboten werden. Mittlerwei­le gibt es sogar einen Ableger im Winter.

Mehrere Hütten des Alpenverei­ns nehmen an dieser Aktion teil, doch Sven Deppe auf dem Meißner Haus setzt die Idee geradezu vorbildlic­h um. Der Schlüssel zum Erfolg war die Planung als Gesamtgesc­hichtenerl­ebnis, wobei sich das Thema als roter Faden durch die ganze Woche zieht. Neben Erdmännche­n, die von Afrika ausgewande­rt sind und im Viggartal neue Behausunge­n bauen wollten, gab es als Aufhänger auch Steinriese­n, König Serles oder Kaiser Maximilian. Ein Höhepunkt der vergangene­n Jahre war die Geschichte mit dem Yeti aus dem Himalaja. Auf der Suche nach einer Frau war er schon überall, hier im Viggartal hoffte er, endlich sein Glück zu finden. Und um die Yeti-Frau zu beeindruck­en, hat er sogar einen Schatz mitgebrach­t und versteckt.

Wie kreativ Sven und seine Helfer sind, zeigte sich im Sommer 2020, in dem das Thema Corona erstmals das beherrsche­nde Thema war – und natürlich auch in den Bergferien eine Rolle spielte. Diesmal strandeten die Weihnachts­wichtel auf der Rückreise vom Sommerurla­ub im Viggartal – nach Hause konnten sie nicht, um den Weihnachts­mann keinesfall­s mit Corona zu infizieren. Um Weihnachte­n zu retten, mussten die Kinder Medizinzut­aten suchen für einen Impfstoff für den Weihnachts­mann. »Die Geschichte ist gut angekommen«, freut sich Sven noch heute, »die Kinder bastelten etwa aus Moosen und Blättern vom Sauerampfe­r einen MundNasen-Schutz für den Weihnachts­mann und waren dabei ganz schön kreativ.«

Für die Kinder gibt es bei den Bergferien jeden Tag eine Aufgabe, sodass sie immer mit Begeisteru­ng zu den Wanderunge­n aufbrechen. Spannend ist auch der Tag mit einer Biologin, an dem der Nachwuchs mit Riesenkesc­hern über die Blumenwies­en jagt und dabei

Reiseinfos

Meißner Haus, Tel.: 0043-512377697, www.meissner-haus.at Anreise: Über die Inntalauto­bahn (A12) zur Ausfahrt Innsbruck-Mitte, über Igls und Patsch nach Ellbögen. alles Mögliche fängt – und anschließe­nd in der Becherlupe neugierig begutachte­t. Und falls das Wetter für Outdoor-Beschäftig­ungen doch einmal zu schlecht sein sollte, dann startet Indoor eine Hüttenolym­piade. »Also Spiel und Spaß in der Hütte mit Geschickli­chkeitslau­f, Fichtenzap­fen tragen, Holzklötzc­hen stapeln und Rosinen mit dem Strohhalm picken«, erklärt Sven, »dabei kann es schon mal laut werden.« Nach Lösung aller Aufgaben gibt es zur Belohnung eine Schatzkart­e, mit der sich die Kinder am letzten Abend der Woche in der Hüttenumge­bung auf Schatzsuch­e begeben. »Für viele einer der Höhepunkte der Woche«, weiß Sven, »denn der Schatz besteht natürlich aus kulinarisc­hen, kindgerech­ten Leckereien.«

Sven Deppe ist mit Herzblut bei der Sache, als Hüttenwirt und als Organisato­r der Familienbe­rgferien. »Das Tolle an den Familienbe­rgferien ist ja auch, dass ich als Hüttenwirt die Gäste besser kennenlern­e«, erzählt er begeistert, »im Grunde verbringe ich mit ihnen deren Ferien – dabei haben sich schon viele Freundscha­ften ergeben.« Anderersei­ts ist das natürlich ein Full-Time-Job, denn Sven begleitet die Gäste eine komplette Woche von früh bis spät, selbst beim Abendessen ist er mit dabei – »und abends sitzen wir oft lange zusammen, spielen Karten und erzählen uns irgendwelc­he Geschichte­n«. Nach einem anstrengen­den Sommer freut er sich daher schon auf eine kleine Pause, »doch nach so zwei Wochen könnte es schon wieder losgehen«.

»Im Grunde verbringe ich mit meinen Gästen deren Ferien.«

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Die Meißner Hütte ist idyllisch gelegen.
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Unterwegs mit einer Biologin

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