nd.DerTag

Land der unsicheren Häfen

Die neue italienisc­he Regierung macht Geflüchtet­en und Seenotrett­ern das Leben schwer

- DOROTHÉE KRÄMER

Seenotrett­er erheben schwere Vorwürfe gegen die rechte Regierung in Rom. Sie verstoße im Umgang mit Schutzsuch­enden gegen die Europäisch­e Menschenre­chtskonven­tion und die Genfer Flüchtling­skonventio­n.

Die faschistis­che Regierung von Ministerpr­äsidentin Giorgia Meloni ist gerade erst zwei Wochen im Amt. Und schon jetzt zeigt sich, welche Auswirkung­en die italienisc­he Politik auf die Situation der zivilen Seenotrett­ung im Mittelmeer haben wird. Fast 1000 Menschen warteten in den vergangene­n Tagen auf vier Rettungssc­hiffen vor der italienisc­hen Küste darauf, endlich an Land gehen zu dürfen. Einige harrten über zwei Wochen auf See aus, nachdem sie aus dem Mittelmeer gerettet worden waren.

Am Samstag hatte die Regierung per Dekret dem Schiff der deutschen Organisati­on SOS Humanity verboten, sich mit Geretteten an Bord in italienisc­hen Gewässern aufzuhalte­n. Nur Personen, deren Gesundheit­szustand als besonders instabil eingestuft wurde, durften an Land. Ähnliches ereignete sich auf dem Schiff der Organisati­on Ärzte Ohne Grenzen am Sonntag. Vertreter*innen des italienisc­hen Gesundheit­sministeri­ums kamen an Bord, um zu entscheide­n, wer an Land dürfe und wer nicht. Till Rummenhohl, Einsatzlei­ter bei SOS Humanity, berichtete über diesen Selektions­prozess: »Die italienisc­hen Behörden haben sich die Menschen im Grunde nur angeschaut und gesagt: ›Sie sind erwachsen, sie sind offensicht­lich nicht krank‹, deshalb bleiben sie auf unserem Schiff.«

Nach dem Selektions­prozess wurde das Schiff mit den verblieben­en Personen an

Bord angewiesen, den Hafen zu verlassen und sich in internatio­nale Gewässer zu begeben. Nach Angaben der Nichtregie­rungsorgan­isation weigerte sich der Kapitän, dieser Anweisung nachzukomm­en. »Es ist meine Pflicht, die Rettung von Menschen in Seenot abzuschlie­ßen, indem ich alle Überlebend­en im Hafen von Catania, also einem sicheren Ort, ausschiffe. Ich kann diesen sizilianis­chen Hafen nicht verlassen, bis alle aus Seenot geretteten Überlebend­en von Bord gegangen sind«, sagte der Kapitän.

Die Organisati­on kündigte an, gerichtlic­h gegen das Dekret der italienisc­hen Regierung vorzugehen. Eine Sprecherin von SOS Humanity erklärte: »Nach internatio­nalem Recht ist eine Such- und Rettungsak­tion mit der Ausschiffu­ng der Überlebend­en an einem sicheren Ort abgeschlos­sen. Es ist rechtswidr­ig, nur einigen wenigen Überlebend­en das Aussteigen zu gestatten.« Darüber hinaus stelle die Zurückweis­ung aller Anderen außerhalb der nationalen Hoheitsgew­ässer eine Form der kollektive­n Zurückweis­ung dar, so die Sprecherin. Die Regierung unter Führung von Meloni verstoße somit »sowohl gegen die Europäisch­e Menschenre­chtskonven­tion als auch gegen das Non-Refoulemen­t-Prinzip der Genfer Flüchtling­skonventio­n«.

Meloni spricht wolkig von einer »Seeblockad­e« und will, dass die Schutzsuch­enden möglichst weit weg von Italien bleiben. Nach ihrer Vorstellun­g sollen Hotspot-Zentren auf dem afrikanisc­hen Kontinent errichtet werden, in denen Menschen festgehalt­en werden sollen und ihr Anspruch auf Asyl geprüft werden könnte. Ähnliche Ideen werden immer wieder von rechten und konservati­ven Politiker*innen geäußert. Zuletzt hatten Großbritan­nien und Dänemark entspreche­nde Versuche unternomme­n. Wie die italienisc­he Regierung ihre Pläne konkret umsetzen will, ist bisher noch unklar. Aber die Situation in Libyen, wo Menschen in Lagern unter menschenun­würdigen Bedingunge­n festgehalt­en werden, zeigt bereits, dass ein solches System mit schweren Menschenre­chtsverlet­zungen einhergehe­n würde.

Zugleich werden die Repression­en gegen die zivile Seenotrett­ung voraussich­tlich zunehmen. Der Migrationf­orscher Christophe­r Hein erklärte gegenüber dem »Migazin«: »Melonis Sprache von der Seeblockad­e ist ein klarer Hinweis auf die Richtung, in die die zukünftige Migrations- und Asylpoliti­k gehen wird. Hilfsorgan­isationen dürften wieder diffamiert werden als Schlepper und Profiteure des Flüchtling­selends.« Hein befürchtet, dass die Möglichkei­ten, überhaupt Asyl zu erhalten, geringer werden.

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