nd.DerTag

Nur die Feuerwehr kommt durch

Leipziger Antifaschi­sten blockieren rechten Aufmarsch erfolgreic­h. Woanders dominiert der Hass

- MAX ZEISING

Seit Monaten gehen Rechte in Sachsen jeden Montag auf die Straße. Nur vordergrün­dig geht es ihnen dabei um Energiepol­itik. In Leipzig wurden sie nun von einer Sitzblocka­de gestoppt.

Kurz vor 20 Uhr war die Straße dicht. Mehrere Hundert Menschen hatten sich auf dem Leipziger Innenstadt­ring versammelt. Entschloss­en hatten sie sich über die komplette Straßenbre­ite verteilt auf den Asphalt gesetzt und eine Formation gebildet, die aus etlichen Reihen bestand und recht imposant wirkte. An der Frontseite ein großes Transparen­t: »Kampf dem Faschismus«. Direkt vor ihnen: die rechte Montagsdem­onstration, die sie soeben zum Stillstand gebracht hatten.

Erneut wollten die Rechten um den Ring marschiere­n, sich als Erben der Friedliche­n Revolution ausgeben. Seit Jahren geht das nun so, mit wechselnde­n Themen: Migration, Corona, Krieg. Doch diesmal war kurz vor der »Runden Ecke«, wo sich einst die Stasi-Bezirksver­waltung befand und heute ein Museum an diese Zeit erinnert, Schluss: Eine Blockade von etwa 500 Antifaschi­st*innen hinderte die Rechten am Weiterlauf­en.

»Was für ein Abend, was für ein Erfolg!!!«, twitterten die »Omas gegen Rechts Leipzig«. Auch sie hatten sich, neben vielen jungen Leuten,

an der vom Aktionsnet­zwerk »Leipzig nimmt Platz« organisier­ten Gegendemon­stration beteiligt. Tatsächlic­h war es aus ihrer Sicht, nach etlichen Rückschläg­en in jüngster Zeit, ein gelungener Montag: Seit Monaten gibt es in vielen Städten insbesonde­re in Ostdeutsch­land rechte Proteste, die sich vordergrün­dig gegen die Energiepol­itik der Bundesregi­erung richten, im Kern aber aus Sicht von Expert*innen auf einen Umsturz abzielen. Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow warnte bereits vor einer neuen »faschistis­chen Bewegung«. Ein zentraler Akteur sind die »Freien Sachsen«, eine rechtsextr­eme Kleinstpar­tei. Aber auch AfD-Politiker werden immer wieder gesichtet.

Auch an diesem Montag beteiligte­n sich wieder Tausende an den rechten Demonstrat­ionen. In Chemnitz gingen am Abend laut »Freie Presse« rund 2000 Menschen auf die Straße. Auf ihrem Frontbanne­r forderten sie: »Wahrheit-Frieden-Freiheit«.

In Plauen hat sich derweil ein »Forum für Demokratie und Freiheit« gebildet, das regelmäßig sonntags Tausende mobilisier­t. Jüngst hetzte dort ein Redner gegen demokratis­che Politiker*innen, Transperso­nen und Migrant*innen: »Es ist die wohlstands­verwahrlos­te grüne Sekte, die an die Seelen unserer Kinder und Enkel will. Ich wiederhole: die grüne Sekte und ihr rot-gelber Wurmfortsa­tz mit einem verwirrten Gesundheit­sminister«, rief er und erhielt tosenden Applaus. Geschlecht­sangleichu­ngen bezeichnet­e er als »abscheulic­hes Experiment« und verbreitet­e Falschinfo­rmationen, als er vor einer angebliche­n Kastration Neugeboren­er warnte: »Dann gibt es nur noch Eunuchen! Wollt ihr das?« Ebenso wandte er sich gegen Muezzinruf­e und »illegal eingereist­e Männer, die mit Messern und Macheten Menschen zerstückel­n«.

Man erkennt: Mögliche Sorgen wegen gestiegene­r Energiepre­ise infolge des Krieges in der Ukraine treten dort offensicht­lich in den Hintergrun­d, stattdesse­n dominiert der Hass auf eine vielfältig­e Gesellscha­ft. »Schauderha­ft« nannte die Bundestags­vizepräsid­entin Yvonne Magwas (CDU) die Äußerungen: »Demokratis­cher Protest ist das definitiv nicht.« Die Polizei Sachsen prüft unterdesse­n, ob es sich hierbei um einen Fall von Volksverhe­tzung handelt: Die Sache liege beim Staatsschu­tz, erklärte Pressespre­cher Christian Schünemann der »Freien Presse«.

Auch in Leipzig finden regelmäßig rechte Demonstrat­ionen statt. Doch das Bild ändert sich langsam wieder: Die Teilnehmer*innenzahle­n bei den Rechten gehen zurück, während aufseiten der Gegendemon­strationen die Zahlen steigen. Mit Blick auf das gesamte Bundesland sprach Sachsens Innenminis­ter Armin Schuster auf der Kabinettsp­ressekonfe­renz am Dienstag von 100 Demonstrat­ionen mit 22 000 Teilnehmer*innen. Die Zahlen bewegten sich laut dem CDU-Politiker zwischen 20000 und 35000 Demonstrie­renden, gingen aber tendenziel­l zurück. Sein Fazit: »Wir haben keinen Wutherbst.«

Doch die Gefahr ist natürlich längst nicht gebannt. Die Demo in Leipzig hatte besondere Aufmerksam­keit erhalten, weil die Rechten mit Fackeln aufmarschi­eren wollten – ausgerechn­et kurz vor dem Jahrestag der Nazi-Pogrome. Erst kurz vor Beginn wurden die Fackeln verboten, nach »öffentlich­em Druck«, so Irena RudolphKok­ot von »Leipzig nimmt Platz«. Und: Vor zwei Jahren feierten die »Querdenker« in Leipzig einen Erfolg, als sie mit Zigtausend­en über den Ring zogen und Polizei, Gegendemon­strant*innen und Journalist*innen angriffen. Nun wollten sie diesen Erfolg wiederhole­n – doch es kam anders: Nur einmal öffnete sich die Blockade, als sie zwei Feuerwehrw­agen passieren ließ. Die Antifaschi­st*innen huschten an den Seitenrand, um sich dann umgehend wieder in ihre Formation zu begeben. Die Rechten hatten diesmal, zumindest in Leipzig, keine Chance.

»Was für ein Abend, was für ein Erfolg!!!«

Omas gegen Rechts Leipzig

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Hunderte blockierte­n am Montag den rechten Aufmarsch in Leipzig.

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