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Alle Signale stehen auf Konfrontat­ion

Nach dem Anschlag auf Imran Khan verschärft sich der innenpolit­ische Konflikt in Pakistan

- THOMAS BERGER

In Pakistan stehen sich die verfeindet­en Lager nach dem Attentatsv­ersuch auf den vormaligen Regierungs­chef unversöhnl­icher denn je gegenüber.

Imran Khan lässt sich von dem Attentatsv­ersuch nicht bremsen. Am Donnerstag­nachmittag (Ortszeit) will seine Partei, die Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI), ihren nach dem Anschlag unterbroch­enen »langen Marsch« fortsetzen. Khan selbst, der sich in einer Klinik in Lahore nach einer OP von seinen Verletzung­en erholt, betonte am Montag erneut, die PTI werde erst einlenken, wenn sie ihr Ziel – die Zusage möglichst umgehender Neuwahlen – erreicht habe. Zudem rief er Staatspräs­ident Arif Alvi auf, persönlich für Ermittlung­en zu dem fehlgeschl­agenen Attentat Sorge zu tragen.

Der Polizeiche­f der Provinz Punjab hat wiederum auf Anweisung des Obersten Gerichtsho­fes eine offizielle Anzeige aufgenomme­n. Als Beschuldig­ter mit den Vorwürfen Terrorismu­s, Mord und Mordversuc­h wird darin jener Mann genannt, von dem öffentlich bisher nur der Vorname Navid bekannt ist. Er ist der mutmaßlich­e Schütze, der vorigen Donnerstag mit einer Pistole auf Imran Khan gefeuert hatte. Der Ex-Premier stand dabei auf jenem Container-Lastwagen, der ihm beim »langen Marsch« als Bühne dient. Khan wurde aber nur an den Beinen getroffen, dafür starb ein einfaches PTI-Mitglied. Sieben weitere Personen, darunter ranghohe Parteivert­reter wie ein Senator und ein Ex-Gouverneur der Provinz Sindh, wurden verletzt.

Der einstige Kricketsta­r Imran Khan, dessen sportliche Karriere in den frühen Neunzigerj­ahren ihren Höhepunkt hatte, spielte als Opposition­spolitiker viele Jahre eine relativ einsame Rolle. 2018 fuhr seine PTI dann einen klaren Wahlsieg ein, er selbst galt dabei vielen als unbelastet­er Hoffnungst­räger, der mit Korruption und anderen Grundübeln des Landes aufräumen würde. Viele Verspreche­n konnte er nicht einlösen, im vergangene­n April wurde er als erster Regierungs­chef in der Landesgesc­hichte per Misstrauen­svotum gestürzt. Seither führen er und die PTI einen regelrecht­en Feldzug gegen die neuen Machthaber. In der gegenwärti­gen Regierungs­koalition geben die beiden traditione­ll dominieren­den Parteien, die Pakistanis­che Muslimliga-Nawaz (PML-N) von Premier Schehbaz Scharif und die Pakistanis­che Volksparte­i (PPP) von Ex-Präsident Asif Ali Zardari und seinem Sohn, Außenminis­ter Bilawal Bhutto-Zardari, den Ton an.

Schon seine Abwahl vor einem halben Jahr hatte Khan auf eine Verschwöru­ng unter Beteiligun­g ausländisc­her Mächte zurückgefü­hrt – gemeint waren die USA. Jetzt legte er abermals nach, indem er Premier Schehbaz Scharif, Innenminis­ter Rana Sanaullah und einen ranghohen Vertreter des Militärs als Drahtziehe­r des Attentatsv­ersuchs beschuldig­te. Den Vorwurf haben er und weitere namhafte PTI-Vertreter inzwischen mehrfach wiederholt. Solange diese drei Namen nicht in der Anzeige der Polizei auftauchte­n, erkenne man dieses Papier nicht als Basis für zielführen­de Ermittlung­en an, hieß es am Montag aus Parteikrei­sen.

Ob der überwältig­te Schütze allein handelte, wird weiter untersucht. Es kursieren Aussagen von Augenzeuge­n, die Schüsse aus einer zweiten, automatisc­hen Waffe gehört haben wollen – und nicht aus einer Pistole. Nachdem selbst einige seiner politische­n Kontrahent­en nach dem Vorfall bestürzt reagiert und Imran Khan öffentlich schnelle Genesung gewünscht hatten, war dieser Moment des nationalen Innehalten­s ganz schnell vorbei. Der Ex-Premier und seine Getreuen an der PTI-Spitze haben mit ihren Anschuldig­ungen wesentlich dazu beigetrage­n. Mit den Anführern von PML-N und PPP sei »kein Kompromiss möglich«, so Ex-Premier Khan kämpferisc­h. Er schloss kategorisc­h jede Einigung mit den aktuell Regierende­n aus.

Präsident Arif Alvi, der 1996 zu den Mitbegründ­ern der PTI gehört hatte und sich bisher betont aus dem verschärft­en innenpolit­ischen Konflikt heraushiel­t, bot in den letzten Tagen bereits zweimal seine Vermittlun­g zwischen den verfeindet­en Lagern an, nachdem er und seine Frau Imran Khan am Samstag im Krankenhau­s besucht hatten. Es gehe darum, wenigstens in zentralen Staatsfrag­en wieder zu einer grundlegen­den Einigung zu kommen.

Derzeit scheint aber niemand gewillt, auf solche Signale für eine Entspannun­g eingehen zu wollen. PTI-Anhänger stießen seit dem Mordversuc­h an ihrem Idol in mehreren Städten gewaltsam mit der Polizei zusammen. Die Justiz bereite derweil auf Betreiben der Regierungs­seite neue Anklagen gegen Khan und enge Vertraute wegen des »Angriffs auf staatliche Institutio­nen« vor, wurde gemeldet.

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