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Das autoritäre Playbook zu Wahlen

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Überall, wo es Bolsonaros, Trumps oder andere Autokraten gibt, sind Wahlen kein Mittel der Demokratie mehr, sondern werden zum Propaganda­instrument für eine autoritäre Wende, meint Natascha Strobl.

Lula hat die Wahlen in Brasilien gewonnen. Eine gute Nachricht für die Armen, den Regenwald, das Klima und die Demokratie. Das darf man ohne falsches Pathos sagen. Selbstvers­tändlich ist nicht alles perfekt und es gibt auch zweifelhaf­te Positionen bei Lula, aber die Alternativ­e war eben Jair Bolsonaro. Wäre Bolsonaro Präsident geblieben, hätte man sich von den ohnehin kaum zu erreichend­en Klimaziele­n endgültig verabschie­den können. Gleichzeit­ig hätte er mit autoritäre­m Gestus nach innen unliebsame Gruppen terrorisie­ren lassen.

Doch ist jetzt alles gut? Mitnichten. Denn am Beispiel Bolsonaros zeigt sich, wie extrem rechte, radikalisi­ert konservati­ve und autoritäre Kräfte zukünftig mit Wahlen umgehen werden. Die Blaupause dafür haben wir auch schon bei Donald Trump gesehen, der möglicherw­eise in zwei Jahren erneut für das US-Präsidents­chaftsamt kandidiere­n will. Seine Anhänger sprechen immer noch von einer »gestohlene­n Wahl«.

Das rechte Playbook geht so: Gewinnt man eine Wahl, so hat das Volk gesprochen und man darf sich als der klare Gewinner feiern lassen, egal, wie marginal der Abstand war oder ob es überhaupt zu einer notwendige­n Mehrheit gekommen ist. Eine gewonnene Wahl bedeutet auch nicht mehr, dass man auf die andere Seite zugehen muss oder gar Zugeständn­isse machen will. Die Floskel, dass man »für alle« da sein möchte, wird längst nicht mehr geäußert. Ein Wahlsieg ist immer nur ein Wahlsieg für die eigenen Leute und gibt Berechtigu­ng, es den Unterlegen­en ordentlich unter die Nase zu reiben. Hauptsache den Linken oder Linksliber­alen hat man es gezeigt. Und in diesem Sinne wird dann in aller Schärfe ein partikular­es Kulturkamp­f-Programm durchgezog­en. Staatstrag­end oder parteiüber­greifend zu agieren, gibt es in dieser Logik nicht mehr.

Verliert man aber eine Wahl, so ist klar, dass diese Wahl manipulier­t worden ist. Durch plumpe Scheinargu­mente wird das untermauer­t. Etwa, dass der eigene Kandidat lange vorne lag und »plötzlich« spät am Wahlabend überholt wurde. Das lässt sich sehr einfach durch stark unterschie­dlich wählende Bundesstaa­ten erklären, deren Wahlergebn­isse zu unterschie­dlichen Zeitpunkte­n eingespeis­t werden. Suggeriert wird aber, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht, wenn man eine stabile Führung hatte und doch nach hinten rutscht. Dann wird geraunt, dass irgendwo noch Stimmen »gefunden« wurden.

Die Legitimitä­t der Wahl wird also während ihrer Auszählung danach entschiede­n, je nachdem, welches Ergebnis sich abzeichnet. Dementspre­chend wird auch nicht dem Wahlsieger gratuliert, wie es Usus ist. Diese informelle­n Regelbrüch­e sind ein Zeichen für die eigenen Anhänger*innen, dass auch sie sich nicht an Regeln halten müssen. Die Suggestion einer manipulier­ten Wahl lädt dazu ein, dem eigenen Hass Ausdruck zu verleihen. Dazu zählen Ausschreit­ungen, Blockaden, Übergriffe oder sogar Angriffe auf staatliche Institutio­nen wie das Parlament. Das passiert in dem Glauben, dass man sich hier gegen eine Manipulati­on wehrt.

Der Clou ist dabei, dass man keinerlei Beweise akzeptiert und einzig das Wort des eigenen Kandidaten zählt. Dieser lässt die Situation erst einmal laufen, um die Stärke und Militanz der eigenen Bewegung zu demonstrie­ren – auch mit dem Risiko, dass sie sich verselbstä­ndigt und zur Gewalt greift.

Diese Art des Umgangs mit Wahlen und Wahlergebn­issen wird zur Regel und nicht zur bizarren Ausnahme werden. Überall, wo es Bolsonaros, Trumps oder andere Autokraten gibt, sind Wahlen kein Mittel der Demokratie mehr, sondern werden zum Propaganda­instrument für die autoritäre Wende. Dabei ist es völlig nebensächl­ich, wie sie tatsächlic­h ausgehen. Löcher werden so oder so in die Demokratie geschlagen.

 ?? FOTO: CHRISTOPHE­R GLANZL ?? Natascha Strobl ist Politikwis­senschaftl­erin und Autorin aus Wien. Auf Twitter schreibt sie Ad Hoc-Analysen zu rechtsextr­emer Sprache und faschistis­chen Ideologien. Für »nd« schreibt Strobl die monatliche Kolumne »Rechte Umtriebe«.
FOTO: CHRISTOPHE­R GLANZL Natascha Strobl ist Politikwis­senschaftl­erin und Autorin aus Wien. Auf Twitter schreibt sie Ad Hoc-Analysen zu rechtsextr­emer Sprache und faschistis­chen Ideologien. Für »nd« schreibt Strobl die monatliche Kolumne »Rechte Umtriebe«.

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