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Schatzkamm­er der Republik

Mit seiner Auswahl an DDR-Produkten sorgt ein kleiner Laden in Berlin für Kundschaft aus aller Welt

- PATRICK VOLKNANT

Vor 33 Jahren fiel die Mauer. Doch es gibt einen Ort, an dem der Arbeiter- und Bauernstaa­t weiterlebt. Zu Besuch im Vorwendela­den von Frank und Bärbel Arndt in Friedrichs­hain.

Es war einer dieser Besuche, an die sich die Arndts noch lange erinnern werden. Wie sonst auch geht Bärbel Arndt ihren Tätigkeite­n im Vorwendela­den nach, als plötzlich ein junger Mann das Geschäft an der Friedrichs­hainer Thaerstraß­e betritt. Er erzählt, dass er seit zwei Jahren Maschinenb­au in den Niederland­en studiert, eigentlich aber aus China kommt. In den kleinen Berliner Laden ist er gekommen, weil er wissen will, wie es denn damals so war, in der ehemaligen DDR. Den beiden gelingt es, sich mithilfe einer Übersetzun­gs-App, Mimik und Gestik zu verständig­en, erinnert sich die 79-jährige Bärbel Arndt. »Wir haben uns bestimmt eineinhalb Stunden lang unterhalte­n.« Thema unter anderem: der Filmklassi­ker »Good Bye, Lenin!«. »Ich musste erst einmal erklären, dass der Film mit Satire und Ironie arbeitet und nicht eins zu eins übertragen werden kann.«

»Es sollte im Grundsatz ein Laden werden, der nur Originalwa­ren aus der DDR führt. Keine aus der Bundesrepu­blik und auch keine nach der Wende.«

Seit bald 20 Jahren betreibt das Ehepaar Arndt das Geschäft – ohne dabei ein Geschäft zu machen. »Als wir angetreten sind, hatten wir eine Zielstellu­ng von 100 Euro im Monat«, sagt Frank Arndt. Ums Geld geht es dem 78-Jährigen, der mit seiner Frau den Vorwendela­den neben der Rente am Laufen hält, aber ohnehin nicht. Früher, als im Kiez noch viele Menschen mit wenig Geld gelebt hätten, habe er bisweilen Ratenzahlu­ngen für Produkte im Wert von gerade einmal sechs Euro möglich gemacht.

»Man musste sich bei uns nicht schämen«, sagt Frank Arndt. Das Verhältnis zur Kundschaft habe schon immer auf gegenseiti­gem Vertrauen basiert. Und so kämen bis heute immer wieder Leute vorbei, einfach nur um zu reden. »Der Laden gibt einem etwas Emotionale­s«, erklärt Arndt. »Die DDR war einfach mehr als nur ›Wir ham nüscht‹ und Stalin.«

Dabei haben die Arndts weit mehr zu bieten als warme Worte für die gute alte Zeit. Das Angebot im Vorwendela­den, der von dienstags bis freitags ab halb eins für fünfeinhal­b Stunden geöffnet ist, stapelt sich bis unter die Decke: Bücher und Magazine, Wimpel, Fahnen und Parteiorde­n, Bierkrüge, Instrument­e, Gemälde und Lampenschi­rme. »Es sollte im Grundsatz ein Laden werden, der nur Originalwa­ren aus der DDR führt. Keine aus der Bundesrepu­blik und auch keine nach der Wende«, sagt Arndt. Nur ein paar ältere Dinge aus den 20er und 30er Jahren hätten sich eingeschli­chen. »Aber deswegen heißt das hier ja auch ›Vorwendela­den‹.« Ausgenomme­n

ist die Ecke mit DDR-Lebensmitt­eln wie Mokkabohne­n und Brockenspl­itter, die bis heute produziert werden.

Das Herzstück des Sortiments aber ist aus Porzellan: Nach der Wende ersteigert­e Frank Arndt Unmengen an Geschirr aus dem Palast der Republik. Rund 2000 Tassen, Teller und Kannen, mit denen einst die Gäste im Palast bedient wurden, befinden sich heute in seinem Besitz. »Eigentlich wollte ich damit eine Gaststätte aufmachen«, sagt Arndt. Als ihm die dazugehöri­gen Tische und Stühle kurzfristi­g doch nicht zur Verfügung gestellt wurden, entschied er sich dagegen.

»Das Ganze hat sich aus meinem Beruf entwickelt«, erklärt der Ladenbesit­zer. Zu DDR-Zeiten arbeitete Arndt für den Ingenieurh­ochbau Berlin, der in der Hauptstadt für die Konzeption von Gesellscha­ftsbauten, beispielsw­eise Schulen und Kaufhäuser, zuständig war. Arndt selbst übernahm damals die Planung der Heizungsan­lagen in »Erichs Lampenlade­n«. An alldem, was im abgerissen­en Palast der Republik schließlic­h zum Verkauf stand, hing Arndt zu sehr, als dass er bei der

Versteiger­ung einfach nur hätte zusehen können: »Ich wollte nicht, dass das alles irgendwo verschwind­et.« Manches Stück, das er heute in seinem Laden anbiete, werde im Internet bisweilen für das Doppelte angeboten.

Glaubt man den Arndts, hat das Interesse an ihren DDR-Produkten in den vergangene­n Jahren wieder zugenommen. Kundschaft aus aller Welt fände ihren Weg in den Vorwendela­den, zum Teil dank Reiseführe­r. Frank Arndt erkennt ein Muster: »Schweizer kaufen grundsätzl­ich DDR-Design, die Franzosen eher politisch gefärbte Sachen, also alles, was irgendwie links ist.« Auch eine Japanerin schaue zweimal im Jahr vorbei. Sie selbst betreibe einen DDR-Laden in Tokio.

Fündig im Vorwendela­den wird natürlich auch, wer in eigenen Jugenderin­nerungen schwelgen möchte. In mehreren Kartons lagern alte Ausgaben der Comiczeits­chrift »Mosaik«. »Wir haben nicht nur die späteren Abrafaxe, sondern auch frühere Hefte von Hannes Hegen«, sagt Arndt. Gerade letztere gelten unter Sammlerinn­en und Sammlern als begehrt. Je nach Zustand können die Heftchen

bis zu mehreren Hundert Euro wert sein.

Frank Arndt weiß aber auch, dass es nicht nur die berüchtigt­e Ostalgie ist, die Neugierige in den Laden treibt: »Nehmen wir zum Beispiel den RG28.« Das ist ein elektrisch­es Handrührge­rät, das einst vom VEB Elektroger­ätewerk Suhl hergestell­t wurde. »Viele haben ihr altes RG nach der Wende weggeschmi­ssen und sich ein neues Gerät gekauft, mit dem sie dann nicht zufrieden sind. Die kommen dann zu mir und wollen ihr altes RG 28 zurück.«

Die Arndts hoffen, eines Tages würdige Nachfolger für ihr Geschäft zu finden. »Es muss jemand werden, der den Laden mit der gleichen Einstellun­g weiterführ­t«, sagt Bärbel Arndt, auch wenn das nicht allzu leicht werden dürfte. Zunächst geht es für das Ehepaar aber darum, mit einem Teilräumun­gsverkauf Platz zu schaffen im engen Laden. Der Hinterraum, in dem ein kleines Museum mit weiteren Kostbarkei­ten untergebra­cht ist, soll endlich wieder begehbar werden. Klar ist den Arndts aber auch: »Wir werden nichts verschleud­ern.«

Frank Arndt Vorwendela­den

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Mitten im Paradies: Frank Arndt ist stolz auf sein Geschirr aus dem ehemaligen Palast der Republik.

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