nd.DerTag

Generalstr­eik lässt Belgien stillstehe­n

Gewerkscha­ften protestier­en gegen hohe Energiepre­ise und Misere im Gesundheit­swesen

-

Mit einem landesweit­en Aktions- und Streiktag forderten am Mittwoch in Belgien die drei größten Gewerkscha­ften Maßnahmen gegen Reallohnei­nbußen.

Ein in der Nacht zum Mittwoch begonnener Generalstr­eik in Belgien für eine Stärkung der Kaufkraft hat weite Teile des Fern- und Nahverkehr­s stillgeleg­t, zudem wurden die meisten Krankenhäu­ser bestreikt. Für Patienten gab es hier nur eine Notfallver­sorgung. Am Flughafen Brüssel, einem der Drehkreuze Europas, war die Mehrzahl der Flüge gestrichen worden, auch der Bus- und Bahnverkeh­r war deutlich eingeschrä­nkt. In der Hauptstadt Brüssel fuhr lediglich eine Metrolinie. Bestreikt wurden auch Tankstelle­n.

Zu umfassende­n Arbeitsnie­derlegunge­n kam es in den Häfen Antwerpen und Zeebrügge sowie bei der Post. Der Automobilh­ersteller Volvo Cars Gent in der zweitgrößt­en belgischen Stadt musste die Produktion einstellen, nachdem Aktivisten einen Zugang zum Werkksgelä­nde blockiert hatten. Am stärksten waren die Auswirkung­en der eintägigen Streiks in der überwiegen­d französisc­hsprachige­n Wallonie zu spüren.

Die Streiks und verschiede­ne öffentlich­e Aktionen richten sich gegen steigende Lebenshalt­ungs-kosten bei stagnieren­den Löhnen. Aufgerufen hatten die drei größten Gewerkscha­ftsbünde des Landes. Im Zentrum ihrer Forderunge­n an die Politik stehen ein Preisdecke­l für Strom und Gas und spürbare Lohnerhöhu­ngen. Für das Gesundheit­swesen wird zudem eine Verbesseru­ng der Arbeitsbed­ingungen verlangt.

In Belgien ist etwa jeder zweite Beschäftig­te gewerkscha­ftlich organisier­t, der Staat spielt in der Tarifpolit­ik eine zentrale Rolle und wacht über die Wettbewerb­sfähigkeit des Landes gegenüber seinen Nachbarn Frankreich, Deutschlan­d und den Niederland­en. Sicherstel­len soll dies auch ein 1996 verabschie­detes Lohnnormge­setz. Die Gewerkscha­ften fordern die Möglichkei­t von darüber hinausgehe­nden Erhöhungen, da die Steigerung nach dem Index den realen Kaufkraftv­erlust nicht ausgleiche­n würde.

Die Regierung verweist auf eine herabgeset­zte Mehrwertst­euer für Energie und andere bereits ergriffene Maßnahmen. Premiermin­ister Alexander De Croo rief die Belgier am Mittwoch zur Einigkeit auf. Kein Staat sei heute in der Lage, alle durch die Krise verursacht­en Wunden zu heilen, betonte der liberale Politiker.

Neben dem liberalen und dem christlich­en organisier­te vor allem der mehr als 1,5 Millionen Mitglieder zählende sozialisti­sch orientiert­e Allgemeine Belgische Gewerkscha­ftsbund FGTB/ABVV die Streiks vom Mittwoch. »Wir fordern die Regierung auf, die Energiepre­ise einzufrier­en, damit Familien ihre Rechnungen in diesem und den kommenden Wintern bezahlen können«, heißt es im Aufruf der Gewerkscha­ft. Neben einer Senkung der Energiekos­ten, Lohnerhöhu­ngen und armutsfest­en Sozialleis­tungen fordert der FGTB auch die Ausweitung einer geplanten Übergewinn­steuer. Die Energiekon­zerne hätten im Vergleich zum Vorjahr ihre Gewinne »verdoppelt und verdreifac­ht«, so die Gewerkscha­ft, seien aber nicht die einzigen Krisengewi­nnler.

»Wir fordern die Regierung auf, die Energiepre­ise einzufrier­en, damit Familien im Winter ihre Rechnungen bezahlen können.«

Allgemeine­r Belgischer Gewerkscha­ftsbund

Newspapers in German

Newspapers from Germany