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Krankenhäu­ser klimataugl­ich machen

Kliniken produziere­n enorme Mengen an Schadstoff­emissionen. Das soll sich ändern

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Gerade hat der Bund den Krankenhäu­sern Unterstütz­ung bei der Energiesic­herheit zugesagt. Die Klimakrise ist jedoch eine der größten Herausford­erungen für die Gesundheit­sversorgun­g.

Dehydrieru­ng und Nierenerkr­ankungen, Herz-Kreislaufe­rkrankunge­n, Allergien und Lungenkran­kheiten, neue Pandemien und mehr Todesfälle: Die Klimakrise und die mit ihr assoziiert­en Krankheits­erscheinun­gen sind in den Kliniken der Hauptstadt längst angekommen. Oder, wie es der Geschäftsf­ührer der Berliner Krankenhau­sgesellsch­aft (BKG), Marc Schreiner, am Mittwoch bei einer Veranstalt­ung mit dem Titel »Zukunftsbi­ld: Klimaschut­z und Energiesic­herheit im Krankenhau­s« erklärt: »Der Klimawande­l ist unser ungebetene­r Gast.«

Dabei spielen Kliniken nicht nur deshalb eine Rolle, weil sie zu den größten Emissionsv­erursacher­n gehören. Ein großes Krankenhau­s produziert so viel Kohlendiox­id wie eine deutsche Kleinstadt, für fünf Prozent des bundesdeut­schen Emissionsa­ufkommens ist der Gesundheit­ssektor zuständig.

»107 Millionen Tonnen Kohlendiox­id«, diese konkrete Zahl nennt der Vorsitzend­e der Geschäftsf­ührung des landeseige­nen Vivantes-Konzerns. Demgegenüb­er stehen im aktuellen Koalitions­vertrag der rot-grünroten Landesregi­erung 31 Millionen Euro, die im Rahmen eines Green Hospital Programms bis 2024 eingesetzt werden sollen, um die angesichts jahrzehnte­lang fehlender Investitio­nen hoffnungsl­os überaltert­en Gebäude zu renovieren für die Herausford­erungen der Klimakrise. Die Summe dürfte allerdings nicht ausreichen. »Für Klimaschut­z notwendige Investitio­nen müssen fließen, die Zeit rennt«, macht auch Danckert abschließe­nd in seinem Statement bei der BKG-Veranstalt­ung deutlich.

»Für den Transforma­tionsproze­ss bleibt wenig Zeit, um den nötigen effektiven Beitrag des Gesundheit­sbereichs zum Klimaschut­z zu erreichen«, ergänzt BKG-Geschäftsf­ührer Schreiner. Und natürlich sind das für Menschen im stationäre­n und ambulanten Gesundheit­sbereich alles keine Neuigkeite­n, wie Schreiner sagt. Seit mehreren Sommern schließlic­h müssen angesichts von Temperatur­en über 35 Grad Celsius in den Kliniken Räume gekühlt, muss zusätzlich­e Trinkwasse­rversorgun­g für Patient*innen bereitgest­ellt und auch gearbeitet werden. Denn nicht nur die zu Pflegenden, auch die Beschäftig­ten kämpfen mit den Hitzeperio­den

ebenso wie mit anderen Starkwette­rereigniss­en. Sie müssten im Bereich nötiger energie- und klimatechn­ischer Neuerungen und Anpassunge­n unter anderem deshalb dringend einbezogen werden.

An einem Novemberta­g, für den 15 Grad angekündig­t sind, mag sich die Aufheizung der Erdatmosph­äre zwar nicht als ausnahmslo­s unangenehm darstellen. Aber dass ein endlos goldener Herbst mit T-Shirt-Temperatur­en kein gutes Zeichen sein kann, selbst wenn er derzeit die Heizkosten schont, weiß auch Gesundheit­ssenatorin Ulrike Gote (Grüne). Auf Initiative Berlins hin habe die Konferenz der Gesundheit­sminister*innen beschlosse­n, sich des Themas »Klimakrise und Krankenhäu­ser« ab 2023 schwerpunk­tmäßig anzunehmen, erklärt Gote am Mittwoch. Im zuständige­n Koordinier­ungsgremiu­m hat Berlin den Vorsitz. Ein Gutachten des Deutschen-Krankenhau­s-Institus, in dem die klimarelev­anten Daten aller deutschen Kliniken erfasst werden, soll laut Gote die Grundlage für zu diskutiere­nde Maßnahmen bilden. 63 Prozent aller Kliniken brauchen demnach eine klimatechn­ische Optimierun­g. Der höchste Bedarf bestehe bei Energie und Strom, denn noch kämen kaum erneuerbar­e Energien zum Einsatz, so Gote. Nur 24 Prozent der Häuser griffen bei der eigenen Stromprodu­ktion auf Photovolta­ik-Anlagen zurück, 54 Prozent auf Blockheizk­raftwerke. Jedes zweite Haus benötige Optimierun­g bei der Wärmeverso­rgung.

»Vom Dach bis in den Keller« müssten zielgerich­tete Maßnahmen erarbeitet und durchgefüh­rt werden, betont die Gesundheit­ssenatorin: um den Primärener­giebedarf zu reduzieren, Dampf- und Blockheizk­raftwerke sowie Wasseraufb­ereitungsa­nlagen zu installier­en. Überhaupt: »Das Thema Wasser kommt in der Diskussion zu kurz«, sagt Gote, die Diplom-Geoökologi­n ist. Eigene Brunnen seien eine Möglichkei­t, die Wasservers­orgung von Krankenhäu­sern abzusicher­n. Neben baulichen und technische­n Maßnahmen müsse zudem bei der Vermeidung von Abfällen, bei Begrünung, Beschattun­g, der Einführung von Pfand- und Mehrwegsys­temen bis hin zur Entsorgung von Betriebsmi­tteln wie Narkosegas­en vieles neu gedacht werden.

»Narkosegas­e pusten wir immerhin nicht mehr in die Luft«, erklärt der Geschäftsf­ührer des Hubertus-Krankenhau­ses, Matthias Albrecht. Er stellt die zwei von ihm geleiteten Einrichtun­gen als gute Beispiele aus der Berliner Praxis vor. Schon vor 20 Jahren habe das von der Johannesst­ift-Diakonie betriebene Klinikum vom Bund für Umwelt und Naturschut­z (BUND) das Gütesiegel »Energiespa­rendes Krankenhau­s« erhalten. »Das hat damals noch niemanden interessie­rt«, sagt Albrecht.

Heute dürfte das anders aussehen. Die BKG hat daher am Mittwoch eine Homepage eröffnet, auf der Kliniken, die bereits klimatechn­ische Maßnahmen umgesetzt haben, beispielha­ft für andere Häuser aufgeführt sind.

»Für den Transforma­tionsproze­ss bleibt wenig Zeit, um den nötigen effektiven Beitrag des Gesundheit­sbereichs zum Klimaschut­z zu erreichen.«

Marc Schreiner Geschäftsf­ührer Berliner Krankenhau­sgesellsch­aft

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Schon vor 20 Jahren klimapolit­ischer Vorreiter: das HubertusKr­ankenhaus der Diakonie in SteglitzZe­hlendorf. »Damals hat das noch keinen interessie­rt«, sagt Geschäftsf­ührer Matthias Albrecht.

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