Zurück im Kreis der Großen
Dominik Bokk galt als größtes Eishockeytalent, beim Deutschland Cup spielt er nach langer Pause wieder im Nationalteam
Als schlampiges Genie verlor der Frankfurter viel Zeit. Über Umwege hat es der 22-Jährige jetzt endlich wieder auf die internationale Bühne geschafft.
Er galt als das größte Eishockeytalent nach Leon Draisaitl, als der, der vier Tricks in einer Sekunde macht: Vor vier Jahren war Dominik Bokk ein NHL-Star in spe – der erste einer außergewöhnlichen Generation. Doch während es die jüngeren Moritz Seider oder Tim Stützle in den USA längst ans Ziel ihrer Träume geschafft haben, hängt der inzwischen 22-Jährige ein paar Klassen tiefer fest.
»Neidisch bin ich nicht«, sagt Bokk, »ich freue mich mega für die Jungs. Aber es klappt halt nicht bei jedem auf Anhieb.« Seider und Stützle sind in Detroit und Ottawa bereits Leistungsträger, auch John Peterka hat in Buffalo den Sprung ins NHL-Team geschafft, Lukas Reichel steht in Chicago kurz davor.
Bokk, bei der U20-WM vor drei Jahren noch der beste Scorer von allen, ist inzwischen beim DEL-Aufsteiger Löwen Frankfurt gelandet, seinem sechsten Klub seit 2019. Die St. Louis Blues, die ihn in der ersten Draftrunde auswählten, haben ihn an die Carolina Hurricanes weitergereicht, sein Vertrag dort ruht. »Ich denke nicht so viel über die NHL nach«, sagt der hochveranlagte Stürmer, der jetzt aufs internationale Eis zurückkehrt: Beim Deutschland Cup in Krefeld gibt Bokk sein Comeback im deutschen Nationalteam nach dreieinhalb Jahren.
Glücklich in Frankfurt
Nach einer durchwachsenen Zeit bei den Växjö Lakers, BK Rögle und Djurgardens IF in Schweden, den Chicago Wolves in der zweitklassigen AHL und einem Intermezzo bei den Eisbären Berlin scheint er in Frankfurt sein
Glück gefunden zu haben. Als drittbester Torjäger und Scorer der Deutschen Eishockey-Liga ist der Außenstürmer maßgeblich am starken Saisonstart des Aufsteigers beteiligt, zeigt sein großes Potenzial.
»Ich fühle mich seit Tag eins sehr wohl, ich bekomme die Rolle, die ich mir vorgestellt habe«, sagt Bokk, »dadurch konnte ich sehr viel Selbstvertrauen tanken.« Das hat auch Bundestrainer Toni Söderholm registriert, der ihn nach sechs Länderspielen in der WM-Vorbereitung 2019 nicht mehr nominiert hatte – bis jetzt. »Es gab Luft nach oben, dass er sich gegenüber härter ist, dass er sein Potenzial in jedem Spiel und jeder Trainingseinheit ausschöpft«, erklärt der Finne.
Bokk, der schon als 17-Jähriger nach Schweden wechselte, galt angesichts seiner herausragenden technischen Qualitäten als schlampiges Genie, dem es an der richtigen Arbeitseinstellung mangele. »Ich bereue nichts, was ich in den letzten vier Jahren getan habe«, sagt Bokk, »ich sehe alles positiv, es kommt so, wie es kommt.« Allerdings gibt er zu: »Es ist Reife dazugekommen. Ich bin auf jeden Fall zweikampfstärker geworden.« Söderholm will an diesem Donnerstag gegen Dänemark, am kommenden Sonnabend gegen Österreich und am Sonntag gegen die Slowakei sehen, »wo er international steht«.
Motiviert zum Traumziel
Wenn sich für Bokk zumindest der Traum von der ersten A-WM im Mai 2023 in Tampere und Riga erfüllen sollte, hätte wohl ein Frankfurter Teamkollege seinen Anteil daran. Denn der ehemalige Stanley-Cup-Sieger Carter Rowney habe auf ihn abgefärbt: »Ich will jeden Tag in die Halle kommen und, ob es Training oder Spiel ist, 100 Prozent geben.« Vielleicht wird es so ja doch noch etwas mit der NHL: »Ich bin noch sehr jung.«