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Minimal ist schon zu viel

Der Gesetzesen­twurf zum Bürgergeld droht im Bundesrat zu scheitern

- LISA ECKE

Millionen Menschen warten auf eine Anpassung der Grundsiche­rung an die rasant steigenden Kosten. Nun droht sich die angekündig­te minimale Erhöhung zum Jahreswech­sel noch weiter zu verschiebe­n.

Statt einer Verbesseru­ng der Lebensbedi­ngungen von Arbeitssuc­henden hält das Bürgergeld nicht einmal einen vollständi­gen Ausgleich der gestiegene­n Lebenserha­ltungskost­en bereit. Statt die Kürzung vom kläglichen Existenzmi­nimum zu verbieten, bleibt ein Großteil der Sanktionen bestehen. Doch ein paar wenige Besserunge­n soll es beim Bürgergeld im Vergleich zu Harz IV geben. Aber selbst diese wenigen positiven Änderungen sind für manche schon zu viel des Sozialen.

Es könnte sein, dass im Bundesrat keine Mehrheit für den Gesetzesen­twurf gefunden wird.

Die Länderkamm­er wird sich am kommenden Montag damit befassen. Aber die Union hat damit gedroht, das Gesetz in der Sitzung zu blockieren. Es senke die Motivation, eine Arbeit anzunehmen, so die Argumentat­ion. Bei einer Ablehnung müsste ein Kompromiss im gemeinsame­n Vermittlun­gsausschus­s von Bundestag und Bundesrat gefunden werden. Trotz der Ankündigun­g der Union zeigte sich Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) am Donnerstag zuversicht­lich, dass es am Montag bei der Sondersitz­ung des Bundestags eine Zustimmung geben könnte. Im Bundesrat seien »nicht CDU-Vertreter, sondern Ministerpr­äsidenten am Zuge«, so Heil. Der Union warf er vor, dass ihre Ablehnung der Pläne mit »Parteitakt­ik« zu begründen sei.

Auch Diakonie-Präsident Ulrich Lilie appelliert­e nach der Abstimmung des Bundestags an die Union, sie solle im Bundesrat den Weg frei machen. »Wenn das Gesetz im Bundesrat blockiert wird, würde nicht nur die dringende Erhöhung der Regelsätze ausbleiben. Auch die Verbesseru­ngen beim Schutz der Wohnung und Förderung der berufliche­n Weiterbild­ung wären erst einmal Makulatur«, so Lilie.

Dabei sind viele der von der Ampel-Koalition geplante Änderungen beim Arbeitslos­engeld eigentlich gar nicht verhandelb­ar. So wird etwa mit der seichten Änderung der Sanktionsp­raxis nur einem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts von 2019 Folge geleistet. Gleiches gilt für die geplante Erhöhung der Regelsätze um rund 50 Euro, die eigentlich keine Erhöhung ist, sondern lediglich eine Anpassung an die Inflation. Doch schon vor den starken Preissteig­erungen war der Regelsatz nach wissenscha­ftlichen Berechnung­en um rund 180 Euro zu niedrig.

Wurde der Gesetzesen­twurf zum Bürgergeld bisher von Sozialverb­änden und Gewerkscha­ften als viel zu unzureiche­nd kritisiert, erntete der Entwurf am Donnerstag nach der Bundestags­abstimmung, trotz Kritik an einer zu geringen Erhöhung, viel Zustimmung. Die Sorgen, dass nicht einmal die jetzt im Gesetzesen­twurf stehenden wenigen Verbesseru­ngen im Bundesrat durchkomme­n, scheinen zu groß zu sein.

»Der Beschluss des Bundestage­s ist für viele Millionen Menschen mit geringem Einkommen und ohne Arbeit eine gute Nachricht: Das Bürgergeld wird ihre Situation endlich verbessern«, erklärte etwa DGB-Vorstandsm­itglied Anja Piel. Auch sie rief den Bundesrat zur Zustimmung

auf – und kritisiert­e die Union. Diese betreibe »auf dem Rücken der Menschen eine Schmutzkam­pagne« und nehme »rein aus parteitakt­ischen Gründen mitten in der Krise Spaltproze­sse in der Gesellscha­ft billigend in Kauf«. Auch die Arbeiterwo­hlfahrt forderte die Länder auf, die Einführung des Bürgergeld­s im Bundesrat nicht zu blockieren. »Wer das Bürgergeld jetzt stoppt, hat den Bezug zur Realität verloren«, so der AWO-Vorsitzend­e Michael Groß.

Ob der Gesetzesen­twurf zum Bürgergeld wirklich wie geplant zu Beginn des neuen Jahres eingeführt wird, hängt nun also von der Abstimmung der unionsgefü­hrten Länder im Bundesrat ab. Und damit auch, ob Millionen Menschen in der Grundsiche­rung noch länger auf eine Anpassung der Regelsätze an die Preissteig­erungen warten müssen.

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