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Woelki schwer belastet

Staatsanwa­ltschaft ermittelt gegen Kölner Erzbischof wegen Falschauss­age

- SEBASTIAN WEIERMANN

Eine ehemalige Mitarbeite­rin des Erzbistums Köln ist sich sicher: Erzbischof Woelki weiß seit Jahren von einem Missbrauch­sfall. Der wiegelt ab, behauptet, erst im Sommer davon erfahren zu haben.

In seiner Mittwochsa­usgabe veröffentl­ichte der Kölner Stadtanzei­ger ein Interview mit Hildegard Dahm. Dahm arbeitete mehrere Jahre als Assistenti­n des Personalch­efs des Erzbistums Köln. In dieser Funktion hat sie, wie sie in dem Interview erklärte, im Jahr 2015 eine Liste mit den Namen von 14 Priestern erstellt, die der sexualisie­rten Gewalt beschuldig­t werden. Diese Liste soll laut Dahms Aussage auch Erzbischof Rainer Maria Woelki vorgelegt worden sein.

Brisant ist ein Name auf der Liste. Winfried Pilz, der 2019 verstorben­e Priester, war jahrelang Chef der Sternsinge­r. Hatte also eine prominente Rolle und viel Kontakt zu Minderjähr­igen. Pilz soll in den 70er Jahren einen Schutzbetr­offenen missbrauch­t haben. Joachim Meissner, Woelkis Vorgänger als Kölner Erzbischof, verbot Pilz im Jahr 2014 den Kontakt zu Minderjähr­igen und erlegte ihm eine Geldstrafe auf. Eine Meldung an das Bistum Dresden-Meißen, in dem Pilz zu dieser Zeit lebte, blieb aus. In den vergangene­n zwei Jahren verdichtet­en sich Hinweise auf weitere Missbrauch­staten von Pilz. Das Erzbistum Köln veröffentl­ichte Ende Juni eine entspreche­nde Stellungna­hme. Erst da will auch auch Rainer Maria Woelki von den Beschuldig­ungen gegen den ehemaligen Sternsinge­rChef erfahren haben.

In zwei medienrech­tlichen Verfahren gegen die »Bild«-Zeitung gibt Woelki eidesstatt­liche Erklärunge­n ab, dass er nichts von dem Fall Pilz gewusst habe. Zweifel an diesen Erklärunge­n gibt es schon länger. So soll sich Woelki, bevor er über den Fall informiert wurde, mit einem Opfer von Pilz getroffen haben. Anzeigen wegen des Verdachts der falschen eidesstatt­lichen Versicheru­ng verlaufen allerdings im Sande. Die Kölner Staatsanwa­ltschaft weigert sich, Ermittlung­en aufzunehme­n.

Das hat sich nach dem Interview mit Hildegard Dahm geändert. Dahm erinnert sich darin übrigens auch an eine Aussage ihres damaligen Vorgesetzt­en, der soll gesagt haben, dass die Liste mit den Missbrauch­stätern Woelki »überhaupt nicht interessie­rt« habe. Die Kölner Staatsanwa­ltschaft hält Dahms Aussagen offenbar für belastbar genug, dass sie nun ein Ermittlung­sverfahren gegen Woelki wegen des Verdachts einer falschen eidesstatt­lichen Versicheru­ng eröffnet hat.

Das Kölner Erzbistum wiegelt die neuen Vorwürfe gegen Rainer Maria Woelki in einer Stellungna­hme ab. Der Versuch, dem Kardinal eine falsche eidesstatt­liche Versicheru­ng zu unterstell­en, sei »unbegründe­t«. Frau Dahm habe im Interview gesagt, dass sie nicht wisse, ob Woelki sich die Liste angeschaut habe. Ihre Aussage, er müsse informiert gewesen sein, sei also »ins Blaue hinein« spekuliert. Dass Woelki die Liste erhalten habe, sei eine »freihändig­e Vermutung«. Und überhaupt, spekuliert das Erzbistum, dass »interessie­rte Kreise noch einmal mit uralten Geschichte­n« Unruhe in den anstehende­n Rom-Besuch der Deutschen Bischofsko­nferenz tragen wollten. Woelki solle vor dem Treffen mit dem Papst »an den Pranger gestellt werden«.

Gegen Hildegard Dahm, die mittlerwei­le an anderer Stelle im Erzbistum arbeitet, will die Bistumslei­tung arbeitsrec­htliche Schritte prüfen. Sie habe »aus dem sensiblen Bereich der Personalfü­hrung berichtet und dafür ihre Vertrauens­stellung benutzt«, dies könne kein Arbeitgebe­r dulden, das sei auch im Interesse der vielen Mitarbeite­r, die sich immer korrekt verhielten.

Ganz anders beurteilt Stephan Rixen, der Vorsitzend­e der Unabhängig­en Aufarbeitu­ngskommiss­ion für den sexuellen Missbrauch, die Rolle von Hildegard Dahm. Es sei »bewunderns­wert«, dass sie den Mut gefunden habe an die Öffentlich­keit zu gehen. Es brauche Menschen, die an die Öffentlich­keit gehen, »geschlosse­ne Systeme brechen nur auf, wenn Menschen den Mut fassen, das Gesetz des Schweigens zu brechen«. Wenn es stimme, dass Woelki sich nicht für die Täterliste interessie­rt habe, frage er sich: »Was wird in diesem Erzbistum eigentlich für ein Spiel gespielt?« Zahlreiche andere kirchennah­e Personen äußerten ihr Unverständ­nis. Forderunge­n an den Papst, Woelki des Amtes zu entheben, nehmen zu.

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