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Licht an für den Nachtragsh­aushalt

Schaulaufe­n im Abgeordnet­enhaus um das Berliner 2,6-Milliarden-Entlastung­spaket

- RAINER RUTZ

Vor einer Woche vorgestell­t, jetzt im Abgeordnet­enhaus beraten, am kommenden Montag wohl beschlosse­n: Der Berliner Nachtragsh­aushalt kommt in Rekordzeit. Die CDU überrascht mit der Auswahl ihrer Kritikpunk­te.

Berlins CDU sorgt sich um das Straßenfla­ir. »Es ist ein falsches Zeichen, wenn wir Symbole der Freiheit wie das Brandenbur­ger Tor nachts nicht anstrahlen«, erklärte Christian Goiny, der haushaltsp­olitische Sprecher der CDU-Fraktion, am Donnerstag im Abgeordnet­enhaus. Überhaupt setze Rot-Grün-Rot mit Blick auf Weihnachte­n lauter falsche Zeichen, etwa indem man den Weihnachts­beleuchtun­gszuschuss an Einzelhänd­ler streiche. »Sie lassen die Menschen allein in dieser Stadt«, rief Goiny den Abgeordnet­en der Koalition zu. Seine Forderunge­n: die Streichung der Gebühren und Vereinfach­ung von Genehmigun­gsverfahre­n für Advents- und Weihnachts­märkte sowie das Ausschalte­n von Parkuhren im Umfeld von Einkaufsst­raßen in der Adventszei­t.

»Mit dem Gesetz über den Nachtragsh­aushalt haben wir unsere Hausaufgab­en gemacht, und das in kürzester Zeit.«

Daniel Wesener (Grüne)

Finanzsena­tor

Der Vorwurf der Weihnachts­feindlichk­eit gegen SPD, Grüne und Linke ist insofern verwunderl­ich, als sich die für Donnerstag einberufen­e Sondersitz­ung des Abgeordnet­enhauses eigentlich um den vor einer Woche vom Senat beschlosse­nen Entwurf zum Nachtragsh­aushalt drehte. Schon unmittelba­r nach der Senatssitz­ung hatte die CDU beklagt, dass in dem 2,6 Milliarden Euro schweren Zusatzpake­t zur Entlastung der Berlinerin­nen und Berliner die Wirtschaft »vergessen« worden sei. Und, wie Goiny nun konkretisi­erte, eben auch die Adventsmär­kte.

»Wenn das die einzigen Kritikpunk­te sind, dann haben wir ja alles richtig gemacht«, erwiderte dann auch Sebastian Schlüsselb­urg, der rechtspoli­tische Sprecher der Linksfrakt­ion. Er machte bei der Gelegenhei­t auch noch einmal deutlich, dass diesem Nachtragsh­aushalt möglicherw­eise weitere Nachträge folgen werden. »Unser Ziel ist klar, unsere Botschaft ist deutlich: Rot-Grün-Rot lässt niemanden zurück«, wiederholt­e Schlüsselb­urg das koalitionä­re Leitmotiv der vergangene­n Wochen und Monate. Ähnlich hatten es zuvor Torsten Schneider für die SPD, André Schulze für die Grünen und Finanzsena­tor Daniel Wesener formuliert.

Grünen-Senator Wesener erinnerte zugleich daran, dass der Nachtragsh­aushalt ohne zusätzlich­e Schulden auskomme. »Das ist auch gut so, denn die neuen Kreditkond­itionen würden den Haushalt langfristi­g zusätzlich belasten.« Denn klar sei: Durch steigende Zinsen wird auch das Schuldenma­chen teurer. Bereits jetzt geht Wesener davon aus,

dass Berlin am Ende der Legislatur­periode eine halbe Milliarde Euro pro Jahr mehr für Zinsen ausgeben müsse als heute. »Daher ist es geboten, das Pulver trocken zu halten.« Etwas Eigenlob durfte auch bei Daniel Wesener nicht fehlen. »Mit dem Gesetz über den Nachtragsh­aushalt haben wir unsere Hausaufgab­en gemacht, und das in kürzester Zeit«, gab sich der Finanzsena­tor erfreut.

Tatsächlic­h geht das Berliner Entlastung­spaket in rekordverd­ächtiger Zeit durch die Gremien und über die Bühne. Nach dem Beschluss im Senat am vergangene­n Dienstag und den Beratungen im Hauptaussc­huss und im Plenum des Abgeordnet­enhauses in dieser Woche soll das Haushaltsg­esetz bereits am kommenden Montag im Parlament verabschie­det werden – zwei Tage, bevor der Landesverf­assungsger­ichtshof über die Wiederholu­ng der Berlin-Wahlen entscheide­t. Das gehe alles viel zu schnell, man habe schon im August einen Nachtragsh­aushalt gefor

dert, und das Tempo rühre »ja nur daher, dass wir nach dem 16. November keinen gültigen Haushalt mehr beschließe­n können«, polterte diesbezügl­ich CDU-Mann Christian Goiny. Nun wird allgemein davon ausgegange­n, dass das Abgeordnet­enhaus auch nach kommendem Mittwoch und der mutmaßlich­en Entscheidu­ng für eine Wiederholu­ngswahl weitgehend beschlussf­ähig bleibt, aber geschenkt.

Berlin ist unübersehb­ar bereits im Vorwahlkam­pf und die erste Lesung des Nachtragsh­aushalts glich dementspre­chend einem Schaulaufe­n der Parteien. Wie der CDU-Abgeordnet­e Goiny hatte dabei auch Sibylle Meister, die haushaltsp­olitische Sprecherin der FDP-Fraktion, vor allem die Nöte der Berliner Wirtschaft im Visier. »Ich möchte nicht, dass Weihnachte­n auch noch der letzte Bäcker schließt«, malte Meister die Lage ordentlich düster. Auch beklagte sie in der Koalition »ein Klima, das Wirtschaft nur verdammt« und – wie im Fall der nun vorerst gekippten

autofreien Friedrichs­traße – »den Einzelhand­el quält«.

Linke-Politiker Sebastian Schlüsselb­urg schoss sich im Gegenzug genüsslich auf die »Irrfahrten« der Ampel-Regierung im Bund und hier insbesonde­re die der FDP ein. »Viel zu lange hat die Ampel-Regierung den Ernst der Lage unterschät­zt«, sagte Schlüsselb­urg. Dagegen gehe die Koalition in Berlin »im Rahmen ihrer Möglichkei­ten einen besseren, einen schnellere­n, einen solidarisc­heren Weg« – ob man nun das über den Nachtragse­tat finanziert­e Netzwerk der Wärme von Sozialsena­torin Katja Kipping (Linke) nehme, das 9-Euro-Sozialtick­et oder den Härtefallf­onds für Menschen, die ihre Strom- und Gasrechnun­g nicht mehr bezahlen können.

Jenseits aller Wahlkampfr­hetorik gilt es als sicher, dass der Nachtragsh­aushalt am kommenden Montag in der vom Senat vorgelegte­n Form vom Abgeordnet­enhaus beschlosse­n wird.

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Lichtergla­nz und Stromversc­hwendung: Die CDU ist in Sorge um die Weihnachts­stimmung in der Hauptstadt.

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