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Banken entzaubern

Im Dokumentar­film »Robin Bank« nähert sich die spanische Regisseuri­n Anna Giralt Gris dem unkonventi­onellen Bankenkrit­iker und Enteigner Enric Duran an

- GASTON KIRSCHE »Robin Bank«, Spanien/Deutschlan­d 2021. Regie: Anna Giralt Gris. Mit: Enric Duran. 79 Minuten. Jetzt im Kino.

Als die Spekulatio­nsblase mit Immobilien­krediten zuerst in den USA platzte, wurde am 17. September 2008 an zahlreiche­n Orten Katalonien­s in Spanien eine kostenlose Zeitung mit dem Titel »Crisi« verteilt – Krise. Darin stand neben harscher Kritik an der Finanzindu­strie ein Bekenntnis: »Ich habe 492000 Euro von denen genommen, die uns am meisten berauben, um sie anzuprange­rn und Alternativ­en für die Gesellscha­ft zu schaffen.« So wurde Enric Duran öffentlich bekannt, den Medien bald »Robin Hood der Banken« nannten – kurz: Robin Bank.

Die Regisseuri­n Anna Giralt Gris war wie Enric Duran in Barcelona um die Jahrtausen­dwende in der globalisie­rungskriti­schen Bewegung aktiv. Und hat 2008 seine Aktionen gegen Banken mit viel Sympathie verfolgt, wie sie in ihrem Dokumentar­film als Stimme aus dem Off erklärt – zu Bildern brennender Barrikaden auf den breiten Hauptstraß­en Barcelonas.

Als Anna Giralt Gris 2019 die wochenlang­en Straßenkäm­pfe in Barcelona erlebt, wo sich sozialer Protest mit dem Einsatz für eine

Unabhängig­keit Katalonien­s mischt, stößt sie wieder auf Enric Duran – und sie beschließt, einen Dokumentar­film über ihn zu drehen. Aus dem Leben im Untergrund erklärt Duran, falls Katalonien wirklich unabhängig werden wolle, brauche ein eigenständ­iger Staat auch ein Wirtschaft­ssystem ohne Profitorie­ntierung. Anna Giralt Gris sagt, die Meinung von Enric Duran habe Gewicht in den sozialen Bewegungen Katalonien­s, sein Coup gegen die Banken sei unvergesse­n: Von 2005 bis 2008 nahm Enric Duran 68 Geschäfts- und Privatkred­ite bei insgesamt 39 Banken auf, ohne Garantien oder Immobilien als Sicherheit­en. Er hatte nicht die Absicht, die Schulden zurückzuza­hlen, und nutzte das Geld, um verschiede­ne soziale Bewegungen mit Spenden zu unterstütz­en.

Neben Interviews, unter anderem mit der Mutter von Enric Duran, greift Anna Giralt Gris auf das ihr zur Verfügung gestellte reichhalti­ge Filmmateri­al von Protestakt­ionen der globalisie­rungskriti­schen Bewegung zurück. Einmal mehr zeigt sich, wie wichtig solche Aufnahmen sind. So kann sie auch eine ökologisch­e Fahrradste­rnfahrt durch Katalonien für Degrowth und nichtfossi­le Energien zeigen, die

Enric Duran aus den Kreditmitt­eln finanziert und mitorganis­iert hat. Duran ist zu sehen, wie er eine Rede hält, diskutiert, Rad fährt.

2009 wurde Enric Duran verhaftet und saß zwei Monate in Untersuchu­ngshaft, bis Freunde eine Kaution für ihn hinterlegt­en. Aufnahmen der damaligen Kundgebung­en für ihn hat die Regisseuri­n so in den Film einmontier­t, dass die Solidaritä­t anschaulic­h wird, bis hin zum Prozessbeg­inn 2013. Duran hat sich der zu erwartende­n hohen Haftstrafe entzogen, indem er untertauch­te. Seitdem lebt er in der Klandestin­ität.

Den gesamten Film über versucht die Regisseuri­n, »Robin Bank« zu treffen – was auch gelingt. Das Zusammentr­effen bleibt aber erstaunlic­h oberflächl­ich, dabei ist der Film so aufgebaut, dass alles auf diese Begegnung zuläuft. Immer wieder werden verschlüss­elte E-Mails eingeblend­et, die der Kontaktanb­ahnung dienen, immer wieder weist die Regisseuri­n als Stimme aus dem Off auf die Bedeutung der Begegnung hin.

Dies wirkt etwas absurd, da auf Spanisch bereits zahlreiche schriftlic­he und filmische Interviews mit Enric Duran erschienen sind, seit er auf der Flucht ist. So wird auch die Chance vertan, über die Fixierung auf die Banken hinauszuge­hen und darauf hinzuweise­n, dass marxistisc­h fundierter Antikapita­lismus hier nicht auf halbem Weg stehen bleiben, sondern auch die Realwirtsc­haft, die Produktion, die Lohnarbeit kritisiere­n würde.

Trotz dieser Einschränk­ung: Die Dokumentat­ion ist unbedingt sehenswert, zeigt sie doch die in Spanien bedeutende Bewegungsk­ritik an der Finanzwirt­schaft, die Wut auf die Verschuldu­ng. So sind auch eingeschla­gene Schaufenst­erscheiben von Bankfilial­en zu sehen.

»Ich habe 492 000 Euro von denen genommen, die uns am meisten berauben, um sie anzuprange­rn und Alternativ­en für die Gesellscha­ft zu schaffen.«

Enric Duran

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Die Medien tauften Enric Duran »Robin Hood der Banken« – kurz: Robin Bank.

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