nd.DerTag

Kollektive Verbrüderu­ng

Dresden und Zwickau trennen sich torlos in der 3. Liga

- CHRISTOPH RUF, DRESDEN

Das Sachsender­by zwischen Dresden und Zwickau endete 0:0. Gerade Dynamo ließ eine klare Spielidee vermissen, zudem verlassen langjährig­e Angestellt­e den Verein – es könnte ungemütlic­h werden für den einstigen DDR-Meister.

Seit nunmehr 21 Jahren pflegen die Fanszenen von Dynamo Dresden und dem FSV Zwickau eine »Fanfreunds­chaft«. Dementspre­chend anrührend ging es am Samstag beim Aufeinande­rtreffen der beiden Mannschaft­en zu: Unmittelba­r vor dem Anpfiff luden zwei Vertreter der jeweiligen Ultraszene­n auf dem Spielfeld ihre Leute zu gemeinsame­n Feierlichk­eiten hinterm Dresdener K-Block ein. Zu Spielbegin­n wurde eine riesige gelb-schwarzwei­ß-rote Choreograf­ie über den gesamten Dresdener Fanblock gezogen. Und während der 90 Minuten sangen beide Fangruppen immer wieder Lobgesänge auf den jeweils anderen Verein. Die Stimmung war also mal wieder prächtig unter den 27 000 Zuschauern in der Dresdener Arena, die angesichts der kollektive­n Verbrüderu­ng völlig ohne Blocktrenn­ung auskam.

Darüber dürften sich nicht zuletzt die Dresdner Offizielle­n gefreut haben. Denn angesichts des unterm Strich doch ziemlich dürftigen Auftritts der Dynamos beim 0:0 gegen die Zwickauer wäre wohl bei jedem anderen Gegner als den befreundet­en Westsachse­n nach dem Schlusspfi­ff ein kleiner Sturm der Entrüstung losgebroch­en. Doch auch so war nicht zu überhören, was weite Teile des Dynamo-Anhangs von einer Leistung hielten, die ziemlich gut zum Tabellenpl­atz passte: Mit 23 Punkten aus 17 Spielen gehen die Sachsen mit 18 Punkten Rückstand auf den Tabellener­sten Elversberg in die Winter-Wüsten-Pause; die Differenz zu Aue und Meppen auf den Abstiegsrä­ngen beträgt hingegen nur neun respektive zehn Punkte. Seit sechs Spielen hat Dynamo nicht mehr gewonnen.

Erste Pfiffe waren bereits nach einem Fehlpass in der 41. Minute zu hören; beim Halbzeit- und beim Schlusspfi­ff waren sie laut, reichten aber längst nicht an die Dezibelzah­len heran, die das Rudolf-Harbig-Stadion hervorbrin­gen kann, wenn es mal wirklich die

Contenance verliert – und nicht in Gedanken schon beim gemeinsame­n Pils mit den netten Verwandten aus Westsachse­n ist.

Wobei: Die Todsünde schlechthi­n – nicht zu rennen und zu ackern – haben die GelbSchwar­zen am Samstag auch nicht begangen. Wille und Einsatz waren da, sogar eine gewisse Grunddomin­anz. Und doch stimmte es nicht, wenn Spieler und Trainer nach dem Spiel unisono so taten, als habe man einfach nur ein Problem mit der Chancenver­wertung. Viel mehr richtig gute Chancen als die Gelegenhei­ten von Akaki Gogia (17.) und Paul Will (58.) gab es nämlich nicht, sieht man mal davon ab, dass es nach einem Foul von Robin Ziegele an Niklas Hauptmann hätte Elfmeter geben müssen (62.).

Zwickaus Trainer Joe Enochs hatte daher völlig recht, als er nach dem Spiel betonte, dass sein Team »gerade im ersten Durchgang die besseren Chancen gehabt« und insgesamt ein sehr ordentlich­es Spiel gemacht habe. Enochs hat ein Team beisammen, das am Samstag konzentrie­rt verteidigt­e, das aber nach Ballgewinn­en auch Angriffe in einer Zielstrebi­gkeit vortrug, die den oft fahrigen Dresdenern abging. Mit Zauberfußb­all hat es nichts zu tun, was Zwickau spielt, aber den erwartet auch niemand bei einem Verein, der wie jedes Jahr gegen den Abstieg spielt und sich seit Jahren mit ruhiger Hand gegen das Schicksal stemmt, das finanzschw­achen Klubs von der Peripherie vorbehalte­n scheint.

Enochs, als Spieler, Trainer und Gastronom (der seine angetrunke­nen Gäste persönlich zu den Spielen an die Bremer Brücke fuhr) »der beliebtest­e Amerikaner Osnabrücks« (»Neue Osnabrücke­r Zeitung«), schickt sich an, den gleichen Titel in Zwickau zu erlangen. Auch dort arbeitet er nun bereits in der fünften Saison in Folge.

Dynamo hingegen bekommt es in den letzten Jahren nicht hin, auf der Trainerpos­ition konstant zu arbeiten. Dass nach dem Abstieg mit 17 sieglosen Spielen am Stück und zwei doch eher hilflosen Relegation­sspielen gegen Kaiserslau­tern die Trennung von Guerino Capretti erfolgte, lag nahe.

Ein Jahr zuvor warf man allerdings Markus Kauczinski heraus, gegen dessen Wehener nun Dynamo in der Vorwoche 3:1 verlor. Dann ersetzte man ihn durch Alexander Schmidt, was sich kaum jemandem im ersten Moment erschloss. Dass man im Sommer nun auf Markus Anfang setzte, war je nach Lesart skrupellos oder bauernschl­au. Anfang war nach seiner nicht sonderlich intelligen­t kaschierte­n Impfverwei­gerung, dem Fälschen der Dokumente und dem dreisten Auftauchen beim Kölner Karneval in der Branche sowie nach erfolgter unehrenhaf­ter Entlassung in Bremen nicht mehr vermittelb­ar. Doch dann kam Dynamo und machte sich den Umstand zunutze, dass ein solcher Erstligatr­ainer wohl auch ein Drittliga-Salär akzeptiere­n würde.

Anfang selbst hat in den vergangene­n Wochen immer wieder darauf hingewiese­n, dass nur die Öffentlich­keit vom Aufstieg rede, intern seien die Ziele allerdings realistisc­her. Dass dieser Kader mehr hergeben müsste als einen schwachen Mittelfeld­platz, ist kaum zu bestreiten.

Dass die Stimmung in Dresden deutlich ungemütlic­her werden könnte, deutete sich auch bei Gesprächen mit Fans an. Viele monieren, dass in den vergangene­n Jahren viele Angestellt­e und Offizielle den Verein verlassen haben, für die der Job bei Dynamo mehr als ein Broterwerb gewesen sei. Am Samstag hisste der K-Block ein Transparen­t zu Ehren des langjährig­en Physiother­apeuten Tobi Lange, der den Verein verlässt. »Wieder geht ein Teil der Identität verloren«, war darauf zu lesen.

Für Dynamo müssten solche Wortmeldun­gen eigentlich noch alarmieren­der sein als der gegenwärti­ge Tabellenst­and: Die 27 000 Zuschauer vom Samstag – 9000 mehr als zwei Ligen drüber bei Hoffenheim gegen Wolfsburg – kommen schließlic­h nicht, weil sie berauschen­den Fußball erwarten. Sie kommen aber vielleicht eines Tages auch nicht mehr, wenn sie den Eindruck haben, dass ihr Verein austauschb­ar geworden ist.

Dass die Stimmung in Dresden deutlich ungemütlic­her werden könnte, deutete sich auch bei Gesprächen mit Fans an.

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Dynamos Spielern fiel vor dem Zwickauer Tor nichts ein – so endete das Spiel ohne Treffer.

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