Linkes Lob für den US-Präsidenten
Nicht alle Bundespolitiker so besonnen wie Joe Biden
Berlin. Einige Nutzer des Kurznachrichtendienstes Twitter neigen zu Schnellschüssen. Nachdem am Dienstagabend Berichte kursierten, dass wegen eines Beschusses zwei Menschen in Polen getötet wurden, schrieb die FDP-Militärpolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, dass »russische Raketen offenbar Polen und damit Nato-Gebiet getroffen haben«. »Das ist das Russland, mit dem hier einige offenkundig und absurderweise immer noch ›verhandeln‹ wollen.« Als klar wurde, dass eine ukrainische Luftabwehrrakete die Explosion verursacht hat, musste die Bundestagsabgeordnete reagieren. Strack-Zimmermann löschte ihren Tweet, weil sie sich auf Informationen bezogen habe, »die unklarer sind, als sie gestern bei der Übermittlung schienen«.
Im Unterschied zu ihr wartete US-Präsident Joe Biden ab, bis ihm seriöse Informationen vorlagen. »In dieser hochbrisanten Situation muss alles unternommen werden, um eine weitere Eskalation zu verhindern«, erklärte Linksfraktionschef Dietmar Bartsch. »Es war wichtig, dass US-Präsident Biden entsprechend reagiert hat, anders als manche in Deutschland.« Der Vorfall zeige, »welche immense Eskalationsgefahr der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine beinhaltet«, so Bartsch.
Allerdings war in den Reihen der Linken zum Teil auch ein anderer Zungenschlag zu hören. Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen kritisierte auf Twitter den ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba, der in der Nacht zum Mittwoch den tatsächlichen Hergang als »russische Verschwörungstheorie« bezeichnet hatte. Dagdelen stellte die rhetorische Frage, ob auch die USA aus ukrainischer Sicht Teil einer von Russland verbreiteten Verschwörungstheorie seien und fügte in ihrem Tweet die Schlagwörter »Kriegstreiber« sowie »Fake News« hinzu.
Politiker der Grünen reagierten zurückhaltender als ukrainische Regierungsmitglieder. Ihr Bundestagsabgeordneter Jürgen Trittin teilte mit, dass Aufklärung das Gebot der Stunde bleibe, »gerade weil die Gefahr einer Ausbreitung des Krieges auf Nato-Gebiet so offensichtlich ist«.
In transatlantischen Netzwerken wie dem Zentrum Liberale Moderne des früheren Grünen-Politikers Ralf Fücks, der noch immer gute Kontakte zu wichtigen Politikern der Partei hat, wird dafür getrommelt, die Ukraine stärker zu unterstützen. Fücks warnte auch angesichts des massiven Raketenbeschusses vom Dienstag davor, dass es dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gelingen könnte, »die Ukraine in den Zusammenbruch zu treiben«. Dann zerbreche auch die europäische Sicherheitsordnung und kein Land im ehemaligen Machtbereich der Sowjetunion sei mehr sicher, prognostizierte Fücks.