Riskantes Studieren
38 Prozent der Hochschüler sind armutsgefährdet
Wer studiert und keine wohlhabenden Eltern hat, muss einige Jahre mit wenig Geld auskommen. Das ist klar. Doch die Lage spitzt sich zu, wie Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen.
Die Zahlen sind alarmierend: Im vergangenen Jahr waren knapp 38 Prozent der Studierenden armutsgefährdet. Wohnen Studierende nicht mehr zu Hause, sondern zur Miete – sei es alleine oder in einer Wohngemeinschaft –, dann erhöht sich das Armutsrisiko noch einmal deutlich auf 76,1 Prozent.
Zum Vergleich: Insgesamt waren im vergangenen Jahr 15,8 Prozent der Bevölkerung in Deutschland von Armut bedroht. Eine Person gilt als armutsgefährdet, wenn sie über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt. Die finanzielle Not zeigt sich den Statistikern zufolge auch darin, dass jeder dritte Studierende (38,5 Prozent) im vergangenen Jahr in Haushalten lebte, die nicht in der Lage waren, unerwartete größere Ausgaben aus eigener Kraft zu stemmen.
Die Bildungsgewerkschaft GEW hält diese Entwicklung für dramatisch und fordert die Bundesregierung umgehend zum Handeln auf: »Die Erhöhung der Bafög-Bedarfssätze um 5,75 Prozent, die seit dem Wintersemester 2022/23 gilt, reicht bei Weitem nicht einmal aus, die bei über 10 Prozent liegende Inflationsrate auszugleichen«, sagte Andreas Keller, stellvertretender GEW-Vorsitzender und Hochschulexperte. »Damit die Studierenden über den Winter kommen, müssen die in Aussicht gestellte Energiepauschale von 200 Euro sofort ausgezahlt und der Notfallmechanismus des Bafög aktiviert werden.« Dieser Mechanismus wurde mit der Bafög-Novelle vom September eingeführt. Er ermöglicht es Schülern und Studierenden in einer Krisensituation, vorübergehend Bafög zu bekommen, auch wenn sie dazu eigentlich nicht berechtigt sind.
Die GEW fordert zudem eine grundlegende Reform der Ausbildungsförderung. »Die Ampel-Koalition hat sich zwar eine BafögStrukturreform vorgenommen«, so Keller, »schiebt diese aber nach den beiden Reparaturnovellen in diesem Jahr auf die lange Bank.« Das Bafög solle laut der Gewerkschaft auf das steuerliche Existenzminimum von 1200 Euro erhöht und regelmäßig an die Steigerung der Lebenshaltungskosten angepasst werden.
Insbesondere für Wohnkosten müssen Studierende für ihre Verhältnisse viel ausgeben: Der durchschnittliche Anteil der Wohnkosten am verfügbaren Haushaltseinkommen lag laut dem Statistischen Bundesamt für Studierende bei 31,6 Prozent und damit deutlich über der Wohnbelastung der Gesamtbevölkerung (23,3 Prozent). Keller machte sich für einen zügigen Start des Förderprogramms für Wohnraum für Studierende und Auszubildende stark, das Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) angekündigt hatte. Die Wartelisten für Wohnheimplätze bei den Studierendenwerken seien lang, so der GEW-Vize, daher müsse »das Angebot an preisgünstigem, öffentlich gefördertem Wohnraum massiv ausgeweitet werden«.