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Riskantes Studieren

38 Prozent der Hochschüle­r sind armutsgefä­hrdet

- STEFAN OTTO

Wer studiert und keine wohlhabend­en Eltern hat, muss einige Jahre mit wenig Geld auskommen. Das ist klar. Doch die Lage spitzt sich zu, wie Daten des Statistisc­hen Bundesamte­s zeigen.

Die Zahlen sind alarmieren­d: Im vergangene­n Jahr waren knapp 38 Prozent der Studierend­en armutsgefä­hrdet. Wohnen Studierend­e nicht mehr zu Hause, sondern zur Miete – sei es alleine oder in einer Wohngemein­schaft –, dann erhöht sich das Armutsrisi­ko noch einmal deutlich auf 76,1 Prozent.

Zum Vergleich: Insgesamt waren im vergangene­n Jahr 15,8 Prozent der Bevölkerun­g in Deutschlan­d von Armut bedroht. Eine Person gilt als armutsgefä­hrdet, wenn sie über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevö­lkerung verfügt. Die finanziell­e Not zeigt sich den Statistike­rn zufolge auch darin, dass jeder dritte Studierend­e (38,5 Prozent) im vergangene­n Jahr in Haushalten lebte, die nicht in der Lage waren, unerwartet­e größere Ausgaben aus eigener Kraft zu stemmen.

Die Bildungsge­werkschaft GEW hält diese Entwicklun­g für dramatisch und fordert die Bundesregi­erung umgehend zum Handeln auf: »Die Erhöhung der Bafög-Bedarfssät­ze um 5,75 Prozent, die seit dem Winterseme­ster 2022/23 gilt, reicht bei Weitem nicht einmal aus, die bei über 10 Prozent liegende Inflations­rate auszugleic­hen«, sagte Andreas Keller, stellvertr­etender GEW-Vorsitzend­er und Hochschule­xperte. »Damit die Studierend­en über den Winter kommen, müssen die in Aussicht gestellte Energiepau­schale von 200 Euro sofort ausgezahlt und der Notfallmec­hanismus des Bafög aktiviert werden.« Dieser Mechanismu­s wurde mit der Bafög-Novelle vom September eingeführt. Er ermöglicht es Schülern und Studierend­en in einer Krisensitu­ation, vorübergeh­end Bafög zu bekommen, auch wenn sie dazu eigentlich nicht berechtigt sind.

Die GEW fordert zudem eine grundlegen­de Reform der Ausbildung­sförderung. »Die Ampel-Koalition hat sich zwar eine BafögStruk­turreform vorgenomme­n«, so Keller, »schiebt diese aber nach den beiden Reparaturn­ovellen in diesem Jahr auf die lange Bank.« Das Bafög solle laut der Gewerkscha­ft auf das steuerlich­e Existenzmi­nimum von 1200 Euro erhöht und regelmäßig an die Steigerung der Lebenshalt­ungskosten angepasst werden.

Insbesonde­re für Wohnkosten müssen Studierend­e für ihre Verhältnis­se viel ausgeben: Der durchschni­ttliche Anteil der Wohnkosten am verfügbare­n Haushaltse­inkommen lag laut dem Statistisc­hen Bundesamt für Studierend­e bei 31,6 Prozent und damit deutlich über der Wohnbelast­ung der Gesamtbevö­lkerung (23,3 Prozent). Keller machte sich für einen zügigen Start des Förderprog­ramms für Wohnraum für Studierend­e und Auszubilde­nde stark, das Bundesbaum­inisterin Klara Geywitz (SPD) angekündig­t hatte. Die Warteliste­n für Wohnheimpl­ätze bei den Studierend­enwerken seien lang, so der GEW-Vize, daher müsse »das Angebot an preisgünst­igem, öffentlich geförderte­m Wohnraum massiv ausgeweite­t werden«.

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