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»Naturschut­z ist generell ein koloniales Business«

Regisseuri­n Lena Karbe im Gespräch über ihren Dokumentar­film »Black Mambas«, der die Alltagskäm­pfe der südafrikan­ischen Frauen mit weißen Vorgesetzt­en zeigt

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Medienberi­chte über die Anti-Wilderer-Einheit Black Mambas im südafrikan­ischen Kruger Nationalpa­rk erwecken mit Überschrif­ten wie »Südafrikas starke Frauen auf gefährlich­er Mission« den Eindruck, es handele sich um eine selbstbest­immte feministis­che Organisati­on. Tatsächlic­h werden die einheimisc­hen Schwarzen Frauen von weißen Vorgesetzt­en kontrollie­rt, die Arbeitsbed­ingungen sind schlecht. Wann wurde Ihnen klar, dass Sie dem Medienbild etwas entgegense­tzen wollen?

Die Black-Mambas-Rangerinne­n sind in unserem Film nicht schwächer dargestell­t als in diesen Artikeln. Ich bewundere die Frauen und ihre Arbeit. Was in diesen Medienberi­chten fehlt, ist die Darstellun­g der Gesamtsitu­ation, in der sie sich befinden. Die Rangerinne­n sind in einem moralische­n Dilemma, da 50 Prozent ihrer Arbeit Aufklärung über Naturschut­z in ihren eigenen Gemeinden ausmachen. Ich dachte zunächst, die Black Mambas sind deshalb die perfekten Protagonis­tinnen, um den kolonialen Kontext des Parks zu zeigen. Erst später wurde mir klar, dass die Dynamik im Alltag – das problemati­sche Verhältnis zu den weißen Vorgesetzt­en und nicht die Konfrontat­ion mit ihren lokalen Gemeinden – zum Hauptkonfl­ikt des Films wird.

Ist der Name Black Mambas, der die Frauen zu Tieren macht, nicht selbst Ausdruck von Rassismus und Exotismus?

Der Name ist eine bewusste Provokatio­n. Ich überlasse es den Zuschaueri­nnen zu beurteilen, wie problemati­sch sie ihn finden. Dieser Name ist ein weiteres Symptom der Machtdynam­ik, die der Film darstellt.

Waren Sie überrascht, dass der weiße Leiter der Black Mambas, der sich gern mit freiem Oberkörper und Pfeife rauchend zeigt, sich selbstkrit­isch äußert und den Nationalpa­rk »die letzte Bastion der alten weißen Kolonialme­ntalität« nennt?

Nein, es war meine große Hoffnung, es filmisch einfangen zu können. Alle Seiten in diesem Konflikt sind eigentlich einer Meinung. Was der Wilderer sagt, ähnelt dem, was wir von dem Vorgesetzt­en der Mambas hören. Alle verstehen, wo das Problem liegt, sind aber gleichzeit­ig Teil dieses Systems.

Diejenigen, die das Geld geben – die Black Mambas finanziere­n sich zu 70 Prozent aus Spenden –, könnten am ehesten etwas ändern. Für Naturschut­z wird in Europa viel gespendet; der Film soll dazu motivieren, genauer hinzuschau­en und kritisch nachzufrag­en, unter welchen Bedingunge­n Menschen in den Organisati­onen arbeiten, die wir unterstütz­en.

Wie ist es Ihnen gelungen, einen Wilderer vor die Kamera zu bekommen, der die weißen Naturschüt­zer kritisiert, weil sie Tiere über die dort unter schrecklic­hen Bedingunge­n lebenden Menschen stellen?

Dieser inzwischen nicht mehr aktive Wilderer wurde in einer wissenscha­ftlichen Studie mit seiner politische­n Kritik zitiert. Es war sehr komplizier­t, die Beziehung über eine NGO herzustell­en, aber ich hatte das Gefühl, er will unbedingt, dass seine Perspektiv­e, die sonst unerwünsch­t ist, gehört wird. In vielen Filmen über den Naturschut­z werden die Wilderer dämonisier­t und rassistisc­h abgewertet. Dabei geht es ihnen um viel mehr als um Wilderei, ihre Hauptmotiv­ation ist die mangelnde Wertschätz­ung seitens der Weißen.

Ich würde mir mehr Filme wünschen, die europäisch­e Kolonialge­schichte aufarbeite­n, das war mein Versuch. Mein Ziel war, dass die Zuschaueri­nnen Empathie für meine Protagonis­tinnen entwickeln.

Wie kommt es, dass die einheimisc­hen Frauen oft kaum einen Bezug zur Natur vor Ort hatten, bevor sie den Job als Rangerinne­n angetreten haben?

Naturschut­z ist generell ein koloniales Business. Als Weiße den Kruger Park 1926 gegründet haben, haben sie People of Color politisch ausgeschlo­ssen, ihnen die Jagdrechte entzogen und einzelne Stämme zwangsumge­siedelt. Einige Privatrese­rvate des Kruger Parks haben weiße Touristen aus Übersee als Zielgruppe (die dort u.a. Trophy Hunting betreiben können) und sind selbst für weiße Südafrikan­er zu teuer. So ist bei den Einheimisc­hen der Eindruck entstanden: Der Park und die Tiere sind für alte weiße Männer, nicht für uns.

Die Stimmung ist außerdem sehr schlecht, weil von drei Millionen Menschen, die um den Park herum wohnen, ungefähr 80 Prozent arbeitslos sind. Der Park ist der wichtigste Arbeitgebe­r dort, aber eine Ausbildung im Naturschut­z ist in Südafrika sehr teuer, nur wenige Einheimisc­he können dort eine leitende Position ergattern. Es gibt mittlerwei­le einige Stipendien­programme, die diese Situation etwas verbessern.

Die Pandemie ist im Film ziemlich präsent. Wie hat sich Corona auf die Situation vor Ort und den Dreh ausgewirkt?

Die Grenzen waren zu, sodass wir warten mussten, bis wir einreisen konnten, und es waren keine Touristen im Park. Anti-WildereiPa­trouillen mussten trotzdem betrieben werden. Generell hat die Pandemie alle Konflikte des Films noch mal zugespitzt, denn die wirtschaft­liche Situation in der Gegend hat sich noch weiter verschlech­tert.

Haben Ihre Protagonis­tinnen den Film bereits gesehen?

Ja, meinen Protagonis­tinnen habe ich den Film sehr früh gezeigt, damit sie ihr Go geben konnten. Es war mir sehr wichtig, dass sie sich mit ihrer eigenen Darstellun­g wohlfühlen. Bei den Vorgesetzt­en hatte der Film den positiven Effekt, dass sie die Frauen schließlic­h befördert, ihnen Weiterbild­ungen ermöglicht haben.

»Black Mambas«: Deutschlan­d/ Frankreich 2022. Regie und Buch: Lena Karbe. 81 Minuten. Start: 17. November.

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INTERVIEW: MARIT HOFMANN »Mein Ziel war, dass die Zuschaueri­nnen Empathie für meine Protagonis­tinnen entwickeln«, sagt die Regisseuri­n Lena Karbe.

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