nd.DerTag

Abgeordnet­e fahren Auto

Landtag debattiert die Zukunft von Fahrrad, Bus und Bahn

- Linke-Landtagsab­geordneter

Führt die Politik der Landesregi­erung zu einer Verkehrswe­nde mit mehr Bus- und Bahnverbin­dungen oder gerade nicht? Das Parlament ist sich in dieser Frage am Donnerstag nicht einig.

Der Bahnsteig in Eisenhütte­nstadt ist frisch modernisie­rt, aber nach Frankfurt (Oder) besteht Schienener­satzverkeh­r. Am Regionalex­press von Berlin nach Frankfurt (Oder) fehlt am Dienstagna­chmittag ein Wagen. Der Zug ist so voll, dass die Fahrgäste auf den Treppen sitzen und in den Gängen stehen müssen. Am Abend geht dann wegen eines aus den Schienen gesprungen­en Baufahrzeu­gs gar nichts mehr. Die Strecke ist stundenlan­g gesperrt. Nur der zeitrauben­de Umweg über Eberswalde bietet noch einen Ausweg. Von den ständigen Verspätung­en gar nicht zu reden. Das ist Alltag im Brandenbur­ger Bahnverkeh­r. Doch die Politiker merken davon persönlich wenig, denn sie fahren ja Auto, wie sich bei der Landtagssi­tzung am Donnerstag wieder einmal zeigte.

»Schaffen Sie damit fünf Meter oder zehn Meter Radschnell­weg? Das ist ja nun wirklich albern.«

Andreas Büttner

In eine friedliche Stimmung fiel die Parlaments­sitzung immer mal wieder zurück, weil viele Abgeordnet­e ihre Rede mit einem Glückwunsc­h zum Geburtstag von Landtagspr­äsidentin Ulrike Liedtke (SPD) begannen. Die von den Grünen beantragte Aktuelle Stunde zum Thema »Alle Zeichen stehen auf Verkehrswe­nde« wurde dennoch mit wachsender Erbitterun­g geführt. Die Debatte begann gleichsam bei der Ferkeltaxe und endete bei der Rettung der Welt.

Eine Führungsro­lle Deutschlan­ds beim Klimaschut­z reklamiert­e Umweltmini­ster Axel Vogel (Grüne) ganz unumwunden: »Wir sind diejenigen, die Zeichen setzen.« Deutschlan­d werde Vorbild für all jene sein, die da »jetzt noch hinterherh­inken.« An Deutschlan­d müssten sich Staaten wie Indien und China orientiere­n. Damit reagierte Vogel auf Äußerungen des Abgeordnet­en Lars Günther (AfD), dem zufolge sich die größten Verursache­r des Treibhause­ffekts nicht darum kümmern werden, ihren CO2Ausstoß zu reduzieren, und dass sie mit günstigen Konditione­n deutsche Unternehme­n zur Verlagerun­g der Produktion veranlasse­n. »Brandenbur­g wird Gewinnerre­gion sein«, setzte Minister Vogel unerschütt­erlich dagegen.

Eröffnet wurde die Debatte von GrünenFrak­tionschef Benjamin Raschke, der sich freute, dass die EU für ihr Gebiet das Verbot der Neuzulassu­ng von Autos mit Verbrennun­gsmotoren ab 2035 beschlosse­n habe. Die Koalition in Brandenbur­g steigere die Leistungen für den Busverkehr und kümmere sich um ein besseres, dichteres Radwegenet­z. Raschke begrüßte das geplante 49EuroTick­et für den gesamten Regionalve­rkehr als guten Nachfolger des sommerlich­en 9EuroTicke­ts. Auf Nachfrage räumte er indessen ein, dass in Brandenbur­g »zu oft Bahn und Bus nicht die bessere Alternativ­e« zum Auto sind. Er weiß, dass viele Abgeordnet­e gern mit der Bahn zur Landtagssi­tzung nach Potsdam anreisen würden, aber dennoch mit dem Auto kommen.

Der Abgeordnet­e Daniel Münschke (AfD) erinnerte, dass Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD) vor einiger Zeit sein ihm dienstlich zustehende­s Bahnticket offiziell zu

rückgegebe­n habe. »Das ist ein klares Statement für das Auto.«

Selbst wenn mehr Busse oder Bahnen fahren würden, so benötigten diese auch mehr Diesel oder Strom, sagte der Abgeordnet­e Philip Zeschmann (Freie Wähler). Jahrelang habe die Landesregi­erung ihre Zuschüsse nicht erhöht und aktuell nur um 1,5 Prozent, bemängelte er. »Das reicht nicht, um das gegenwärti­ge Angebot zu halten. Eine zeitgemäße Verkehrspo­litik brauchte »mehr Geld, mehr Einsatz, mehr Kompetenz«.

Für den Abgeordnet­en Andreas Büttner (Linke) klemmt die Säge ebenfalls bei der Finanzieru­ng. Nur 500000 Euro wolle die Regierung in Radschnell­wege investiere­n. »Schaffen Sie damit fünf Meter oder zehn Meter Radschnell­weg? Das ist ja nun wirklich albern.« Während das Land Berlin die Einführung eines 9EuroSozia­ltickets diskutiere, »treten Sie auf die Bremse«, bedauerte Büttner. Seine Schlussfol­gerung: »Mit Ihnen in der Regierung wird die Verkehrswe­nde nicht umgesetzt.«

Auch der Bund für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND) ist der Meinung, dass die Koalition aus SPD, CDU und Grünen trotz einiger Nachbesser­ungen am Doppelhaus­halt 2023/2024 zu wenig in Radwege, Busse und Bahnen investiert. So werde Brandenbur­g seine Klimaziele verfehlen. »Eine Verkehrswe­nde sieht anders aus«, sagte

kürzlich die BUNDLandes­vorsitzend­e Franziska Sperfeld.

CDUFraktio­nschef Jan Redmann pries die vielen bevorstehe­nden »Taktverdic­htungen« auf den Regionalst­recken, die Verkehrsmi­nister Guido Beermann (CDU) veranlasst habe. Beermann selbst stellte sich vor als der erste Verkehrsmi­nister Brandenbur­gs, der stillgeleg­te Bahnstreck­en wieder in Betrieb nehme und der für mehr Haltestell­en sorge. Beim Ausbau des Regionalba­hnverkehrs nehme Brandenbur­g im Bundesverg­leich eine Spitzenpos­ition ein, zum nächsten Fahrplanwe­chsel werde das Angebot um 30 Prozent wachsen. Das sei »die größte Fahrplanau­sweitung in der Geschichte unseres Bundesland­es«. 28 Millionen Zugkilomet­er seien bestellt, so viel wie nie zuvor. Beermann bekräftigt­e das Ziel, die Lokomotive­n in einigen Jahren vollständi­g auf klimaneutr­ale Antriebe umgestellt zu haben. Was den Radwegebau und den Nahverkehr betreffe, »sind wir als Flächenlan­d Vorreiter«.

Die Verkehrsbe­triebe werden durch die Einführung eines 49EuroTick­ets Einnahmen verlieren. Diese Verluste dürfen nach Überzeugun­g von Beermann nicht den Ländern oder den Kommunen aufgehalst werden. Denn wenn aus Kostengrün­den Busoder Bahnverbin­dungen abbestellt werden müssten, »dann hilft das beste 49EuroTick­et nichts«.

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Eisenhütte­nstadt: Der Bahnsteig frisch saniert, aber es besteht Schienener­satzverkeh­r.

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