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Und jetzt: Mund auf!

Deutsche Fußballer protestier­en nun doch bei der WM gegen den Weltverban­d

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Ar-Rayyan. Ein Elfmeter. Zwei Abseitstor­e. Drei echte Treffer, Endstand 1:2. Interessie­rt das die Deutschen, ob Fußballfan oder nicht? Oder war die Geste der Nationalsp­ieler wenige Sekunden vor ihrer ersten Partie bei der umstritten­en Weltmeiste­rschaft in Katar nicht viel wichtiger? Nur wenige Tage, nachdem der Weltverban­d Fifa mehreren Mannschaft­en unter Androhung von sportliche­n Konsequenz­en das Tragen der bunten Antidiskri­minierungs-Armbinde »One Love« verboten hatte, wählten die Spieler eine neue Form des Protests: Sie hielten sich beim obligatori­schen Teamfoto ihre Münder zu.

Deutsche Fernsehzus­chauer sahen dies nur, weil die Szene von einer ARD-Kamera übertragen wurde, während die Fifa dem Rest der Welt lieber Aufstellun­gsgrafiken zeigte. Über die Bilder der Fotografen fand die Geste dennoch schnell den Weg ins Netz. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) setzte selbst ein Foto per Twitter-Botschaft ab: »Wir wollten mit unserer Kapitänsbi­nde ein Zeichen setzen für Werte, die wir in der Nationalma­nnschaft leben: Vielfalt und gegenseiti­ger Respekt. Uns die Binde zu verbieten, ist wie den Mund zu verbieten. Unsere Haltung steht.«

Somit wurde aus einer Botschaft gegen die Diskrimini­erung von Frauen, Minderheit­en und der LGBTIQ-Community in Katar zwar eher ein Protest gegen das diktatoris­che Verhalten der Fifa. Aber auch dieses Zeichen war notwendig geworden, nachdem die Kritik am DFB immer lauter geworden war, weil er sich nicht über das Armbinden-Verbot hinweggese­tzt und die Konsequenz­en ertragen hatte. »Die Fifa arbeitet mit Einschücht­erung und Druck«, hatte DFB-Chef Bernd Neuendorf am

Mittwochvo­rmittag diese Entscheidu­ng noch verteidigt, wollte aber zugleich betonen: »Wir sind in der Opposition zur Fifa. Wir wollen gucken, wie wir weitere Maßnahmen auf den Weg bringen.« Demnach prüfe man eine Klage gegen das Verbot vor dem Internatio­nalen Sportgeric­htshof Cas – doch ob diese aufgesetzt wird, ist offen.

Bis dahin sind wohl nur Gesten drin. So wie die von Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (SPD), die sich direkt neben Fifa-Präsident Gianni Infantino im Stadion das Jacket auszog und darunter die dem deutschen Teamkapitä­n verbotene »One Love«-Armbinde aufblitzen ließ. Nun müssen deutsche Regierungs­mitglieder nur noch bei Gesprächen mit Katars Machthaber­n mal ihren Mund aufbekomme­n – so wie sie es von den Fußballern verlangen.

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