nd.DerTag

Schlagabta­usch mit Lach-Faktor

Wie sich Bundeskanz­ler Olaf Scholz in der Generaldeb­atte gegen die Angriffe aus der Union wehrte

- MAX ZEISING

Die Schuldenbr­emse soll ab 2023 wieder gelten. Doch die Krise erfordert weitere Sonderausg­aben. Die Linke kritisiert, dass viel Geld in die Bundeswehr gesteckt wird.

Die Union ist unter Friedrich Merz wieder im Aufwind. Nachdem sie sich beim Bürgergeld durchgeset­zt hatte, ging sie entspreche­nd selbstbewu­sst in die Haushaltsd­ebatte am Mittwoch. Olaf Scholz verteidigt­e sich – mit Humor.

Es sind keine einfachen Zeiten für den Bundeskanz­ler. In Umfragen krebst seine SPD, die Siegerin der Bundestags­wahl 2021, nur noch bei um die 20 Prozent herum, während die CDU mit ihrem nicht mehr ganz neuen Vorsitzend­en Friedrich Merz ihre Talsohle längst überwunden und sich mittlerwei­le sogar einen satten Vorsprung von etwa acht Prozent erarbeitet hat. Im neuesten Insa-Meinungstr­end kommen die Ampel-Parteien nur noch auf zusammenge­rechnet 44,5 Prozent, damit haben sie gegenüber den Opposition­skräften ihre Mehrheit verloren. Und da wäre dann auch noch das ewige Theater ums Bürgergeld, bei dem sich die Union mit ihrer Forderung nach Beibehaltu­ng der Sanktionen letztlich gegen Olaf Scholz durchsetze­n konnte.

Entspreche­nd selbstbewu­sst ging Merz am Mittwoch in die Generaldeb­atte der abschließe­nden Haushaltsw­oche. Der CDU-Chef warf Scholz »Wortbruch gegenüber dem Parlament und vor allem der Bundeswehr« vor. Der Grund: Der Verteidigu­ngshaushal­t steige nicht wie verabredet um mindestens zwei Prozent, sondern er sinke um fast 300 Millionen Euro. Unmittelba­r nach Russlands Einmarsch in die Ukraine vor nunmehr neun

Monaten hatte Scholz in seiner »Zeitenwend­e«-Rede noch versproche­n, künftig das Zwei-Prozent-Ziel der Nato zu erfüllen.

Dann nahm sich Merz den Wirtschaft­sminister vor: Dieser habe die Öffentlich­keit und das Parlament »vorsätzlic­h und bewusst getäuscht«, weil die von der Ministeriu­msspitze »gewünschte­n Ergebnisse« des zweiten AKW-Stresstest­s schon im Voraus festgestan­den hätten. Zur Erinnerung: Im Gegensatz zu den Netzbetrei­bern, die im Ergebnis dieses Tests die Ausschöpfu­ng aller Möglichkei­ten zur Erhöhung der Stromkapaz­ität empfahlen, plädierte Robert Habeck zunächst nur für zwei der drei verblieben­en Atommeiler als Notreserve. Letztlich war es der Kanzler, der in einem Machtwort entschied, dass alle drei Atomkraftw­erke bis zum 15. April des kommenden Jahres weiterlauf­en sollen.

Laut einem Bericht der »Welt« sollen interne Dokumente darauf hindeuten, dass es keine ergebnisof­fene Prüfung gegeben habe. Das Umweltmini­sterium als oberste Atombehörd­e widerspric­ht dieser Darstellun­g. Für die Atomfans aus der Union, die seinerzeit unter Kanzlerin Angela Merkel den Ausstieg noch selbst beschlosse­n hatte, nun aber offenbar kein Problem mehr mit dieser Hochrisiko­technologi­e hat, bietet sie hingegen eine willkommen­e Angriffsfl­äche. Ursprüngli­ch sollte die Atomkraft zum Jahresende beerdigt werden. Die Grünen, die in dieser Koalition bereits eine Menge Kröten schlucken mussten, kämpften für diese Linie hartnäckig­er als um andere Grundsätze – allerdings vergebens.

Man muss Merz lassen, dass er Pointen setzen kann. Das hat er seinem Widersache­r im Kanzleramt voraus, der bekanntlic­h eher zur Monotonie neigt. Diesmal versuchte es Scholz gleich zu Beginn seiner Rede mit einem Lacher: Merz‹ Rede habe ihn an das Märchen »Alice im Wunderland« erinnert. Er verwies auf neue Möglichkei­ten der Energiever­sorgung

Olaf Scholz

etwa durch LNG-Flüssiggas­terminals, aber auch den Ausbau der erneuerbar­en Energien, den diese Koalition schneller vorangetri­eben habe als bisherige Regierunge­n, »übrigens auch in Bundesländ­ern im Süden unserer Republik, wo dieser Ausbau bisher stockte«. Ein Seitenhieb auf Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU), der sich lange Zeit an die 10H-Regel klammerte. Diese besagt, dass Windkrafta­nlagen einen Mindestabs­tand zu Wohnbebauu­ng haben müssen.

Auch warf Scholz den ehemaligen Verteidigu­ngsministe­rn der Union vor, die Bundeswehr vernachläs­sigt zu haben. Er wiederholt­e, das Zwei-Prozent-Ziel erfüllen zu wollen, allerdings verfolge er einen langfristi­gen Plan, keine »schnelle, hektische PR-Erklärung«. Wichtig sei zudem das Treffen mit Chinas Machthaber Xi gewesen, das Merz kritisiert hatte. Xi hatte sich gegen den Einsatz von Atomwaffen ausgesproc­hen, was Scholz als Ertrag seiner Reise präsentier­te. Fazit des Kanzlers, zweiter Lacher inklusive: Wer wie Merz glaube, nicht die letzten 16 Jahre CDURegieru­ng seien das Problem, »der glaubt auch an sprechende weiße Kaninchen«.

Es standen also am Mittwoch nicht nur die nackten Zahlen für das kommende Jahr im Fokus, wie immer in Generaldeb­atten ging es um die gesamte Regierungs­arbeit. An der konkreten Haushaltsp­lanung hatte sich bereits am Dienstag Kritik entzündet. Nachdem die Schuldenbr­emse zuletzt drei Jahre in Folge zuerst wegen der Corona-Pandemie und dann aufgrund des Krieges in der Ukraine ausgesetzt worden war, soll sie für 2023 wieder gelten. Allerdings sind die Krisen längst nicht überstande­n, weshalb die Regierung weitere Sonderausg­aben veranlasst­e, die aber nicht über den regulären Haushalt, sondern über Sonderverm­ögen abgerechne­t werden: 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr, was von der Linken heftig kritisiert wird, und 200 Milliarden Euro zur Abfederung der Energiekri­se, auch »Doppel-Wumms« genannt. Gesine Lötzsch aus der Linksfrakt­ion kritisiert­e am Dienstag, dass die Ampel-Koalition die Wohlhabend­en nicht stärker zur Kasse bitte.

Insgesamt will die Ampel im kommenden Jahr rund 476 Milliarden Euro ausgeben, das sind rund 20 Milliarden weniger als 2022. Allerdings soll der Kredit-Spielraum der Schuldenbr­emse von rund 45 Milliarden Euro, den es wegen schlechter Konjunktur gibt, vollständi­g ausgeschöp­ft werden.

»Wer das glaubt, der glaubt auch an sprechende weiße Kaninchen.«

Bundeskanz­ler

 ?? ?? Olaf Scholz (SPD) hatte Grund zum Lachen, trotz schwierige­r Lage der Ampel.
Olaf Scholz (SPD) hatte Grund zum Lachen, trotz schwierige­r Lage der Ampel.

Newspapers in German

Newspapers from Germany