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Abzug – nur nicht gleich

Bundeswehr will sich vom Minusma-Einsatz in Mali verabschie­den

- RENÉ HEILIG

Die Bundesregi­erung plant die deutschen Blauhelm-Soldaten aus Mali abzuziehen – bis spätestens Mai 2024. Frieden hat der aktuell größte Auslandsei­nsatz der Bundeswehr nicht gebracht. In Bamako setzt man nun auf russische Söldner.

Bundeskanz­ler Olaf Scholz musste mal wieder einen Streit in der Koalition schlichten. Während seine Verteidigu­ngsministe­rin und SPD-Genossin Christine Lambrecht – unterstütz­t von der Generalitä­t – die aktuell in Mali stationier­ten 1200 Soldatinne­n und Soldaten geordnet, doch eben auch so schnell wie möglich heimholen wollte, pochte Außenminis­terin Annalena Baerbock darauf, dass der Einsatz im Rahmen der UN-Mission Minusma fortgeführ­t wird. Die Grünen-Politikeri­n verwies auf die »internatio­nale Verantwort­ung Deutschlan­ds«. Zudem führte sie an, dass Chaos und die Ausbreitun­g des Terrorismu­s in der Sahelzone direkte Auswirkung­en auf Europa hätten, zum Beispiel würden die Migration und die Gefahr von Anschlägen zunehmen.

Der nun gefundene Kompromiss lautet: Man werde dem Parlament vorschlage­n, das Mandat im Mai 2023 »letztmalig um ein Jahr zu verlängern, um diesen Einsatz nach zehn Jahren strukturie­rt auslaufen zu lassen«, teilte Regierungs­sprecher Steffen Hebestreit am Dienstag mit. Damit solle insbesonde­re den für Februar 2024 in dem westafrika­nischen Krisenland geplanten Wahlen Rechnung getragen werden. Ob diese tatsächlic­h stattfinde­n werden, ist ungewiss. Das 20-MillionenE­inwohner-Land hat seit 2012 nicht weniger als drei Militärput­sche erlebt. Seit dem jüngsten Umsturz im Mai 2021 wird Mali von einer militärisc­hen Übergangsr­egierung geführt.

Kritik am Abzugsplan kam von der Opposition. Die Entscheidu­ng sei politisch völlig unkoordini­ert und militärisc­h unvorberei­tet, meinte der CDU-Militärpol­itiker Henning Otte. »Dieses Vorgehen der Ampel gefährdet die Sicherheit unserer Soldaten in diesem schwierige­n Einsatz«, sagte Otte. Diese Sicht teilt Sevim Dağdelen, Linke-Obfrau im Auswärtige­n Ausschuss. Dass der komplette Abzug bis weit ins Jahr 2024 verschlepp­t werde, sei »inakzeptab­el und der Lage vollkommen unangemess­en«. Der Einsatz sei gescheiter­t, betonte Dağdelen.

Die Operation war von vornherein zum Misserfolg verdammt. Nachdem der Westen durch den Sturz des libyschen Machthaber­s Muammar al-Gaddafi einen Bürgerkrie­g losgetrete­n, die Terrororga­nisation Al Qaida gestärkt und die afrikanisc­hen Nachbarsta­aten ins Chaos getrieben hatte, versuchten französisc­he Truppen mit der »Operation Serval« Aufstände im Norden Malis einzudämme­n. 2013 machte der UN-Sicherheit­srat den Antiterror­kampf in der Region zu einer Angelegenh­eit der Weltgemein­schaft. Inzwischen sind fast 18 000 Militärs, Polizisten und Beamte eingesetzt. Mit starken Kontingent­en ist die Bundeswehr seit 2016 Teil der Blauhelmmi­ssion. Sie alle vermochten es nicht, das Land zur Ruhe zu bringen.

Zudem hat sich das Klima gegenüber den westlichen Verbündete­n radikal verschlech­tert, seitdem die Militärjun­ta russische Söldner

der sogenannte­n Wagner-Gruppe ins Land geholt hat. Die führen einen brutalen Antiterror­kampf ohne Rücksicht auf die Zivilbevöl­kerung. Dennoch hat die malische Führung – nach Einschätzu­ng der Bundesregi­erung – seit Jahresbegi­nn »keine nachhaltig­en Erfolge gegen Terrorgrup­pen« im Land erzielen können.

Mit Bezugnahme auf die Uno teilte die Bundesregi­erung im Oktober mit, dass zwischen 2013 und Juni dieses Jahres 174 Angehörige des Minusma-Einsatzes in Ausübung ihres Dienstes getötet sowie 426 schwer verletzt worden seien. Überdies, so bestätigt auch das deutsche Verteidigu­ngsministe­rium, hätten die Schikanen gegen Minusma zugenommen. So ist eine Fortführun­g insbesonde­re der Aufklärung­seinsätze der Bundeswehr kaum möglich. »Aufgrund fehlender malischer Fluggenehm­igungen«, so die Bundesregi­erung, sei die Heron-1-Drohne seit dem 11. Oktober nicht mehr eingesetzt worden. Dabei sind deren Flüge für alle MinusmaTei­lnehmer extrem wichtig. Auch sind Personalwe­chsel mehrfach behindert worden. Unlängst hatte Malis Regierung sogar die geplante Einreise des deutschen Generalins­pekteurs

praktisch unmöglich gemacht, indem sie Visaregelu­ngen verschärft­e.

Es geht um weit mehr als nur um Mali. Vor allem die Regierung Frankreich­s versuchte – unterstütz­t von Deutschlan­d – in den ehemaligen französisc­hen Kolonien Burkina Faso, Tschad, Mali, Mauretanie­n und Niger einen »großen Wurf«. Im Rahmen von »G5 Sahel« wollte Paris die Zusammenar­beit auf dem Sicherheit­sgebiet verbessern. Die Idee ist so gut wie gescheiter­t. Im Sommer haben die letzten französisc­hen Soldaten Mali verlassen und sich in Niger eingericht­et. Dort sichern sie vor allem den Uran-Nachschub für die französisc­hen Atomkraftw­erke. Der Rückzug hat schwerwieg­ende Folgen, denn Frankreich­s Kampfhubsc­hrauber hatten bislang wichtige Minusma-Operatione­n abgesicher­t. Nun strich Paris die Entwicklun­gshilfe für Mali.

Zurückgezo­gen hat sich ebenso die Elfenbeink­üste. Es wurde kein offizielle­r Grund angegeben, aber die Spannungen zwischen Abidjan und Bamako waren gestiegen, nachdem im Sommer 49 ivorische Soldaten bei ihrer Ankunft im Stationier­ungsland als »Söldner« gebrandmar­kt und inhaftiert wurden. Auch Großbritan­nien stieg bei Minusma aus.

Verteidigu­ngsministe­r James Heappey betonte, Malis Militärher­rscher seien »nicht bereit, mit uns zusammenzu­arbeiten, um dauerhafte Stabilität und Sicherheit zu gewährleis­ten«. Vor allem die Zusammenar­beit der malischen Militärjun­ta mit Russland und den Söldnern der »Wagner-Gruppe« sei »kontraprod­uktiv für dauerhafte Stabilität und Sicherheit in der Region«.

Das Klima gegenüber den westlichen Verbündete­n hat sich radikal verschlech­tert, seitdem die Militärjun­ta in Mali russische Söldner der sogenannte­n WagnerGrup­pe ins Land geholt hat.

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In Mali weint kaum jemand der Bundeswehr eine Träne nach.

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