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Antisemiti­smus ist eine ideologisc­he Stütze des Regimes

Ulrike Becker von Stop the Bomb fordert eine kritischer­e Haltung der deutschen Linken gegenüber der iranischen Regierung

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Sie haben lange vor neuen Verhandlun­gen über die Verlängeru­ng des Atomabkomm­ens mit dem iranischen Regime gewarnt. Mittlerwei­le lehnen auch viele iranische Opposition­elle dies ab. Fühlen Sie sich in Ihrer Kritik bestätigt?

Wir fordern seit der Gründung unserer Kampagne von der Bundesregi­erung und anderen westlichen Regierunge­n, die säkularen und demokratis­chen Kräfte im Iran zu unterstütz­en. Insbesonde­re die Bundesregi­erung war jedoch auf eine enge Zusammenar­beit mit dem terroristi­schen Regime fixiert. Damit ist Deutschlan­d der iranischen Zivilgesel­lschaft schon immer in den Rücken gefallen. Die Idee eines Atomabkomm­ens war, die Zusammenar­beit mit dem Regime immer weiter auszubauen und zu stärken, auf allen Ebenen – wirtschaft­lich, politisch, kulturell. Die Freiheitsb­ewegung im Iran weist zu Recht darauf hin, dass diese Politik die Herrschaft des Regimes politisch und wirtschaft­lich von außen stabilisie­rt und zementiert. Damit muss jetzt Schluss sein. Das ist auch deshalb kein Problem, da die Verhandlun­gen mit dem Regime über das Atomprogra­mm sowieso gescheiter­t sind.

Sehen Sie auch in der gesellscha­ftlichen Linken in Deutschlan­d einen Wandel in Bezug auf die Haltung zum Atomabkomm­en mit dem Iran?

Vor dem Beginn der Freiheitsb­ewegung wurden in großen Teilen der traditione­llen Linken die Sanktionen gegen den Iran vor allem aus einer antiamerik­anischen Perspektiv­e betrachtet. So forderte Linksfrakt­ionschef Dietmar Bartsch deutsche Firmen auf, sich nicht an den »amerikanis­chen« Sanktionen gegen das Regime zu beteiligen, obwohl vom Handel deutscher Firmen mit dem Iran schon immer vor allem der autoritäre Staat und das Firmenkons­ortium der Revolution­sgarden profitiert haben. Das hat bei diesen Linken niemanden interessie­rt, im Rest der Gesellscha­ft allerdings auch nicht. Nun sehen wir in einigen Teilen der Linken Solidaritä­t mit der Freiheitsb­ewegung, aber insgesamt immer noch sehr viel Desinteres­se.

Was sind Ihre Forderunge­n?

Es müsste eine viel breitere Solidaritä­tsbewegung geben, von antifaschi­stischen über feministis­che und akademisch­e bis zu gewerkscha­ftlichen Kreisen. Es müsste eine viel ernsthafte­re Auseinande­rsetzung in der Linken damit geben, wie der Kampf der iranischen Opposition unterstütz­t werden kann. Zwar fordert Bartsch Sanktionen gegen die Revolution­sgarden, aber das ist zu wenig und ich sehe in der Linken noch keinen klaren Bruch mit dem Regime. Auch sehe ich in der Linken kaum eine Auseinande­rsetzung mit der Frage, was es bedeuten würde, wenn das

Terror-Regime in Teheran über Atomwaffen verfügen würde.

Was befürchten Sie dann?

Die antisemiti­sche Ideologie und das Ziel, Israel zu vernichten in Kombinatio­n mit dem Streben nach Atomwaffen und der Bereitscha­ft,

gegen innere und äußere Feinde mit Terror vorzugehen, machen das Regime gefährlich. Deshalb ist es essenziell, dass die atomare Bewaffnung verhindert wird. Das sollte auch die Solidaritä­tsbewegung mit der iranischen Opposition zur Kenntnis nehmen. Jetzt muss sich überall die Erkenntnis durchsetze­n, dass dieses Regime nicht reformiert werden kann und gestürzt werden muss.

Welche Rolle spielt der Antisemiti­smus?

Der Antisemiti­smus und der Hass auf Israel sind ideologisc­he Stützen. Ein freier Iran wäre die beste Abwehr der Bedrohung Israels und der übrigen Region. Umfragen zufolge ist der Antisemiti­smus in der iranischen Bevölkerun­g viel weniger verbreitet als in anderen Ländern des Mittleren Ostens. Unter den Opposition­ellen vernimmt man keine Hassparole­n gegen Israel oder die USA.

Welche Bedeutung haben die Proteste im Iran für die Nachbarlän­der?

Nicht nur in Israel, sondern in der gesamten Nachbarsch­aft hat die Umsturzbew­egung große Hoffnungen und Sympathien unter den Gegnern von Despotie und Islamismus geweckt. Sie sehen die Befreiung der Menschen im Iran als Grundlage für ihre eigene Befreiung von Regimes oder Milizen, die unmittelba­r oder mittelbar mit dem Teheraner Gewaltappa­rat verbunden sind.

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