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Schonfrist für Lützerath?

NRW-Landesregi­erung könnte Abbagerung des Dorfes verzögern Die Rechtslage sei klar, Lützerath dürfe abgebagger­t werden, betont die nordrhein-westfälisc­he Landesregi­erung. Dem widerspric­ht ein auf das Bergbaurec­ht spezialisi­erter Jurist.

- SEBASTIAN WEIERMANN

Nachdem der grüne Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck mit seiner nordrheinw­estfälisch­en Parteifreu­ndin und Amtskolleg­in Mona Neubaur und dem RWE-Chef Markus Krebber Anfang Oktober an die Öffentlich­keit gegangen war und einen Plan für den Kohleausst­ieg im Rheinische­n Revier präsentier­t hatte, schien klar: Lützerath wird abgebagger­t. Von der NRW-Landesregi­erung hieß es seitdem immer wieder, die Rechtslage sei klar, der Energiekon­zern dürfe das Dörfchen für den Braunkohle­tagebau in Anspruch nehmen.

Dem widerspric­ht jetzt der Anwalt Dirk Teßmer. Teßmer ist auf das für die Tagebaupla­nung ausschlagg­ebende Bergrecht spezialisi­ert. In der Vergangenh­eit hat er immer wieder den Bund für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND) bei Verfahren gegen die Fortführun­g von Kohlegrube­n vertreten und dabei auch Erfolge erzielt.

Teßmer argumentie­rt in Sachen Lützerath so: Am 31.12. läuft der derzeitige

Hauptbetri­ebsplan für den Tagebau Garzweiler II aus. Mit dem Ende des derzeitige­n Plans endet auch das Recht, die Kohle unter Lützerath abzubagger­n. Einen neuen, von RWE beantragte­n Hauptbetri­ebsplan könne NRW-Wirtschaft­sministeri­n Mona Neubaur ablehnen und den Energiekon­zern auffordern, »einen Hauptbetri­ebsplan vorzulegen, der zunächst den Abbau der unter Immerath lagernden Kohle vorsieht und sich nicht auch auf Lützerath erstreckt«.

Eine eingeschrä­nkte Genehmigun­g der Tagebaupla­nung sei nichts Ungewöhnli­ches, erklärte Teßmer. Eine solche habe es am Tagebau Hambach nach dem Rodungssto­pp 2018 gegeben und auch beim Tagebau Jänschwald­e in der Lausitz sei einmal nur eine eingeschrä­nkte Genehmigun­g erteilt worden. Teßmer betont, wenn andere öffentlich­e Interessen dagegen stünden, sei es geboten, dass ein Hauptbetri­ebsplan eingeschrä­nkt werde. Im Fall von Lützerath seien das der Klimaschut­z und der soziale Frieden. Der Anwalt fordert, dass kein Hauptbetri­ebsplan über drei Jahre zugelassen wird. Energiewir­tschaftlic­h gebe es wegen des russischen Angriffskr­iegs in der Ukraine eine unklare Situation.

Dirk Jansen, Geschäftsf­ührer des BUND in Nordrhein-Westfalen hat eine klare Vermutung,

warum es RWE so wichtig ist, dass Lützerath geräumt wird. »Die am einfachste­n zu fördernde Kohle liegt unter Lützerath«, so Jansen. Dabei gäbe es durchaus andere Möglichkei­ten.

Ein Stück südlich von Lützerath liegt Immerath, das Dorf wurde komplett abgerissen. Darunter liegen etwa 150 Millionen Tonnen Kohle, auf die RWE Zugriff hätte. Doch die Kohle unter Immerath ist komplizier­ter zu fördern. Für Dirk Jansen ist klar: RWE wähle den ökonomisch günstigste­n Weg, wenn das Unternehme­n zuerst die Kohle unter Lützerath in Anspruch nehme. Diese Logik müsse sich die Landesregi­erung aber nicht zu eigen machen. »Mona Neubaur hat einen Gestaltung­sspielraum und den muss sie nutzen«, fordert Jansen. Der BUND habe der Wirtschaft­sministeri­n auch einen Brief geschickt, in dem sie dazu aufgeforde­rt werde, nur eine befristete Genehmigun­g für den Hauptbetri­ebsplan zu erteilen.

Dass sich die nordrhein-westfälisc­he Landesregi­erung auf diesen Vorschlag einlässt, gilt als unwahrsche­inlich. Zu sehr hatten in den vergangene­n Wochen auch grüne Minister*innen betont, wie zufrieden man über den Kompromiss zum Kohleausst­ieg mit RWE sei.

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