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FBI untersucht Tod von Schirin Abu Akleh

Israel will nicht kooperiere­n bei Aufklärung des Falls der getöteten Al-Jazeera-Journalist­in

- KARIN LEUKEFELD

Im Mai wurde die Al-Jazeera-Reporterin Schirin Abu Akleh bei einer Razzia der israelisch­en Armee getötet. Die Familie forderte eine offizielle Untersuchu­ng.

Sechs Monate, nachdem die Al-Jazeera-Reporterin Schirin Abu Akleh getötet wurde, hat das US-Justizmini­sterium dem israelisch­en Justizmini­sterium mitgeteilt, dass es eine Untersuchu­ng über den Tod der Palästinen­serin eingeleite­t hat. Grund: Die Journalist­in besaß auch die US-amerikanis­che Staatsange­hörigkeit. Abu Akleh war am 11. Mai erschossen worden, als sie mit Kollegen über eine Razzia des israelisch­en Militärs in Jenin berichtete, einem palästinen­sischen Flüchtling­slager im besetzten Westjordan­land.

Der noch amtierende israelisch­e Verteidigu­ngsministe­r Benny Gantz, der von 2011 bis 2015 auch Oberkomman­dierender der israelisch­en Streitkräf­te war, wies die angekündig­te Untersuchu­ng durch das FBI zurück. Es sei »ein schwerer Fehler«, sollten die USA diese Untersuchu­ng vornehmen, erklärte Gantz.

Schirin Abu Akleh wollte am 11. Mai 2022 mit anderen Kollegen über eine Razzia der israelisch­en Besatzungs­armee im palästinen­sischen Flüchtling­slager Jenin berichten. Obwohl alle Journalist­en mit schusssich­eren Westen mit der Aufschrift »Presse« und Helmen bekleidet und damit deutlich als Journalist­en zu erkennen waren, eröffneten die israelisch­en Soldaten das Feuer auf die Gruppe.

Zunächst wurde der Reporter Ali Al-Samud getroffen, der wie Abu Akleh für den katarische­n Nachrichte­nsender Al-Jazeera arbeitet. Er habe den anderen Kollegen zugerufen, man ziele und schieße direkt auf sie und alle sollten sich in Sicherheit bringen, erinnerte sich Al-Samoud, der in den Rücken getroffen worden war. Kurz darauf fiel seine Kollegin Schirin Abu Akhleh vornüber, wie die Journalist­in Schatha Hanayscha berichtete, die unmittelba­r neben ihr gestanden hatte. Sie habe versucht, ihr aufzuhelfe­n, doch Schüsse der israelisch­en Soldaten hätten sie daran gehindert und sie habe sich neben einen Baumstamm an eine Mauer gekauert. Aufnahmen einer Kamera zeigen die junge Frau, wie sie um Hilfe ruft und immer wieder auf ihre Kollegin Schirin zeigt, die leblos am Boden liegt.

Im Krankenhau­s wurde der Tod der 51-jährigen Journalist­in festgestel­lt. Eine Kugel hatte unterhalb des Ohres den Hals durchschla­gen. Diese sehr schmale Stelle war weder vom Kragen einer kugelsiche­ren Weste noch vom Helm geschützt. »Wir betrachten das als einen gezielten Angriff«, sagte der leitende AlJazeera-Manager Mohammed Moawad. »Es war eine gezielte Ermordung.«

Das Büro des damaligen Ministerpr­äsidenten Naftali Bennet erklärte, dass vermutlich »bewaffnete Palästinen­ser für den unglücklic­hen Tod der Journalist­in« verantwort­lich seien. Sie hätten »zu dem Zeitpunkt wild um sich geschossen«. Alle Journalist­en, die an dem Morgen vor Ort waren, berichtete­n übereinsti­mmend, es sei ruhig gewesen und es habe keine bewaffnete­n Auseinande­rsetzungen zwischen Palästinen­sern und der israelisch­en Armee gegeben. Diese untersucht­e schließlic­h den Einsatz ihrer Soldaten und erklärte im September, Abu Akleh sei »wahrschein­lich durch unbeabsich­tigtes Feuer« eines Soldaten getötet worden, der nicht wahrgenomm­en habe, dass sie Journalist­in war. Die ballistisc­he Untersuchu­ng des Geschosses, das aus der Leiche Abu Aklehs entfernt worden war, habe kein Ergebnis erbracht.

Laut einer Untersuchu­ng des UN-Menschenre­chtsaussch­usses war es eine gezielte Tötung; die Familie von Schirin Abu Akleh drängte auf offizielle Ermittlung­en durch die USA. Die Öffentlich­keit müsse den Druck auf die US-Regierung aufrechter­halten, eine Untersuchu­ng einzuleite­n, hieß es in einer Erklärung. Israel sei »unfähig, sich selbst zur Verantwort­ung zu ziehen«.

Demokratis­che Abgeordnet­e im US-Kongress unterstütz­ten die Forderung der Familie, mehr als 20 Senatoren wandten sich mit einem Schreiben an das US-Justizmini­sterium und forderten es auf, eine Untersuchu­ng einzuleite­n. Bei Pressekonf­erenzen des US-Außenminis­teriums kamen die Sprecher unter Druck durch hartnäckig­e Nachfragen von Journalist­en. Matt Lee, Chefreport­er der Nachrichte­nagentur AP, drängte wiederholt darauf, die Verantwort­lichen für die Tötung zu nennen. Er fragte, was die Auswertung der Helmkamera­s der beteiligte­n israelisch­en Soldaten ergeben hätten, die alles genau aufzeichne­ten, und wollte wissen, ob US-Ermittler die Soldaten des Einsatzes befragt hätten. Schließlic­h sei die Journalist­in US-amerikanis­che Staatsange­hörige gewesen.

Genau darum wird es nun gehen, wenn das FBI Ermittlung­en aufnimmt. Israel betrachtet das Ansinnen als Einmischun­g in die inneren Angelegenh­eiten. Verteidigu­ngsministe­r Gantz sagte, Israel werde nicht kooperiere­n.

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