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Kranke Kiefernkro­nen

Nur vier Prozent der Berliner Waldbäume sind laut aktueller Erhebung gesund

- LOUISA THERESA BRAUN

Der Waldzustan­dsbericht von 2022 stellt den Hauptstadt-Wäldern nach dem Hitze-Sommer ein ungesundes Zeugnis aus. Doch es gibt Hoffnung auf Besserung. Der Umbau zum klimaresil­ienten Mischwald geht voran.

Auch wenn es von der Jahreszeit her passen würde, solle das keine Weihnachts­dekoration sein. »Die wäre ja ganz schön mickrig«, sagt Berlins Umweltsena­torin Bettina Jarasch (Grüne) über einige Kiefernzwe­ige, die bei der Vorstellun­g des Waldzustan­dsberichts 2022 am Mittwoch auf dem Boden liegen. Sie dienen Gunnar Heyne, dem Leiter der Berliner Forsten, als Demonstrat­ionsobjekt, um zu zeigen, wie es um die Berliner Wälder aktuell bestellt ist. Eigentlich sollte die Kiefer ihre Nadeln über mehrere Jahre behalten, doch an einem Zweig ist der Nadel-Jahrgang von 2020 schon zur Hälfte verschwund­en.

Der Kronenzust­and der Berliner Waldbäume hat sich insgesamt verschlech­tert: 40 Prozent weisen laut aktueller Waldzustan­dserhebung deutliche Schäden auf, das sind 6 Prozent mehr als 2021. Für 56 Prozent der untersucht­en Bäume wurde die erste Warnstufe ausgesproc­hen (– 4 Prozent), lediglich 4 Prozent sind völlig gesund (– 2 Prozent). Unter den Kiefern, die rund 60 Prozent des Berliner Baumbestan­ds ausmachen, sind sogar nur noch 2 Prozent ohne Schäden. Er hätte nach diesem Sommer, der sowohl viel zu heiß als auch zu trocken war, fast ein noch schlimmere­s Ergebnis erwartet, sagt Gunnar Heyne. »Aber der Baum ist ein träges Lebewesen. Es dauert, bis er die Schäden zeigt«, erklärt er. Das bedeutet: In den kommenden Jahren könnte der Bericht noch deutlich schlechter ausfallen.

Schon seit 2019 bewege sich der Zustand des Berliner Waldes im konstant schlechten Bereich, dennoch sei er optimistis­ch, sagt Heyne. Denn zumindest die Absterbera­te habe sich im Vergleich zum Vorjahr um 0,2 auf 0,4 Prozent verringert. Und die Gesundheit der Eiche habe sich 2004 schon einmal auf einem Tiefpunkt befunden und danach überrasche­nd gut wieder erholt. Zudem beziehe der jährliche Waldzustan­dsbericht nur Kiefern, Eichen und Buchen ein. Letztere gebe es in Berlin kaum, dafür aber Linden, Ulmen und andere Arten, über deren Zustand der Bericht gar keine Aussage treffe. Die Erhebung zeige also nicht den ökologisch­en Gesamtzust­and, und »der ist so tragisch nicht«, betont der Leiter der Forsten.

Mit 29 000 Hektar sei Berlin die Stadt mit dem meisten Wald in Deutschlan­d, er habe eine extrem wichtige Funktion als Erholungsr­aum sowie zur Bekämpfung der Klimakrise, und »wir sollten uns um ihn kümmern«, erklärt Bettina Jarasch. Da Laubbäume resiliente­r gegen Brand und Sturm sind als Nadelbäume, sie mehr CO2 binden und den Grundwasse­rspiegel stabilisie­ren, sollen die Berliner Wälder sich von Nadel- zu Laubmischw­äldern entwickeln. In diesem Jahr sind bereits 322 000 neue Laubbäume gepflanzt worden, jeder fünfte Baum sei inzwischen eine Eiche. Mit diesem bundesweit beispielha­ften Mischwaldp­rogramm nehme das Land Berlin sogar am UN-Dekade-Projektwet­tbewerb zum Schutz der Ökosysteme teil, berichtet die Umweltsena­torin stolz.

Nach Ansicht von Christian Hönig, dem Baumschutz­experten des Bundes für Umweltund Naturschut­z (BUND), müsse der Waldumbau ohne flächigen Maschinene­insatz erfolgen. »Der Berliner Wald ist ein Naturschut­z- und Erholungsw­ald. Die Waldpflege hat sich an diesen Zielen zu orientiere­n«, sagt er. Auf Maschinen zu verzichten, würde allerdings bedeuten, dass der Personalbe­darf explodiert, gibt Gunnar Heyne zu bedenken. »Das muss man politisch diskutiere­n«, sagt er. Er freue sich bereits darüber, dass das Personal der Berliner Forsten auf sieben Stellen für Forstwirts­chaftsmeis­ter*innen aufgestock­t worden sei – auch wenn er sich mehr gewünscht hätte. Neu sei außerdem ein Waldbrandf­rüherkennu­ngssystem, um Bränden vorzubeuge­n.

Viel mehr könne man für den Wald ohnehin nicht tun, außer auf einen schneereic­hen Winter und einen verregnete­n Sommer zu hoffen, so Gunnar Heyne. »Jedes Agieren ist eine Wette auf die Zukunft«, meint er. Letztlich sei Klimaschut­z der beste Waldschutz, wie auch BUND-Baumschutz­experte Christian Hönig sagt: »Um den Wald zu retten, müssen vor allem der Klimawande­l aufgehalte­n und die Grundwasse­rstände stabilisie­rt und gesichert werden.« Und andersheru­m gehe Klimaschut­z eben nicht nur über Technologi­en, sondern auch über klimaresil­iente Wälder. »Die Natur selbst muss uns helfen«, betont Jarasch. In dieser Hinsicht lässt der Waldzustan­dsbericht noch Luft nach oben.

»Jedes Agieren ist eine Wette auf die Zukunft.«

Gunnar Heyne Leiter der Berliner Forsten

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Deutliche Schäden, auch hier im Grunewald: Laut aktuellem Waldzustan­dsbericht sind nur vier Prozent der Berliner Bäume gesund.

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