nd.DerTag

Lobbyistin

Fleischeri­n Nora Seitz macht Stimmung gegen das Bürgergeld

- ROBERT D. MEYER

Medienscha­ffende besitzen die unangenehm­e Eigenschaf­t, es sich bei ihren Recherchen leicht zu machen, selbst in großen Redaktione­n, die über Ressourcen verfügen, um über den Tellerrand hinauszusc­hauen. Womit wir bei Nora Seitz wären, Fleischerm­eisterin in vierter Generation aus Chemnitz und ein bei Journalist*innen beliebtes Gesicht, wenn es darum geht, die Sorgen des Handwerks zu repräsenti­eren. Vergangene Woche erklärte Seitz in der »Zeit«, warum sie das Bürgergeld richtig aufregt und »Arbeiten an sich immer unattrakti­ver wird«. Kurz darauf kritisiert­e sie in der MDR-Talksendun­g »Fakt ist«, dass das Lohnabstan­dsgebot nicht mehr gegeben sei. Bei »Maischberg­er« im Ersten wiederholt­e die 38-Jährige das alles am Dienstagab­end.

Mehr mediale Schützenhi­lfe konnte sich die CDU in ihrem Kampf gegen das Bürgergeld kaum wünschen. Eine weibliche Stimme des Handwerks aus dem Osten vertritt die Parteilini­e. Was für ein Zufall bei mehr als 10 000 Fleischerh­andwerksbe­trieben in Deutschlan­d. Was vielleicht damit in einem Zusammenha­ng steht, dass Seitz CDUMitglie­d ist. Alle Medien merken das in ihrer Berichters­tattung zwar an, doch bereits ihr Beisitzerp­osten im Vorstand der sächsische­n Mittelstan­dsund Wirtschaft­sunion (MIT) ist schon keine Erwähnung mehr wert, genauso wie eine gescheiter­te Bundestags­kandidatur. Dabei ist die CDU-Lobbygrupp­e eine der lautesten Stimmen, die besonders schrill gegen das Bürgergeld schießt. In einer Mitteilung der MIT Sachsen Ende September hieß es, dies sei der »Einstieg in das bedingungs­lose Grundeinko­mmen«. Die Beschäftig­ten der Chemnitzer Fleischere­i Thiele erhalten übrigens nur den Mindestloh­n.

Seitz, die sagt, sie arbeite 80 Stunden in der Woche, rechtferti­gt dies unter anderem mit dem enormen Preisdruck durch billige Großanbiet­er. Ob ihr bekannt ist, welche Partei seit Jahrzehnte­n am stärksten die Interessen der Agrarindus­trie vertritt? Diese Frage stellte ihr Maischberg­er nicht.

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