nd.DerTag

1:0 gegen die Fifa, 1:2 gegen Japan

Deutschlan­ds Fußballer protestier­en nun doch bei der WM, verlieren aber ihr Auftaktmat­ch durch späte Abwehrfehl­er

- MAIK ROSNER, AR-RAYYAN

Nach ihrer Mund-zu-Protestges­te verspielt die deutsche Nationalma­nnschaft mit Regenbogen-Schuhen ein 1:0 in ihrem ersten WM-Gruppenspi­el und unterliegt Japan 1:2 – Bundesinne­nministeri­n Faeser sitzt mit »One Love«-Armbinde neben Fifa-Präsident Infantino.

Hansi Flick stand ganz vorne in seiner Coachingzo­ne. Etwas verloren sah der Bundestrai­ner aus, fernab der Bank zehn Meter hinter ihm. Doch Flicks Position am Spielfeldr­and möglichst nah an seinen Spielern resultiert­e aus dem Wunsch heraus, ihnen ein paar Hilfestell­ungen zu geben. Nur 1:0 stand es nach Ilkay Gündogans verwandelt­em FoulElfmet­er aus der 33. Minute Mitte der zweiten Halbzeit noch immer, und als Gündogan den Ball aus 15 Metern an den Außenpfost­en setzte, fasste sich Flick mit beiden Händen vors Gesicht.

Am Ende hatte sich Flick zu Recht gesorgt. Die deutsche Nationalma­nnschaft hat in ihrem ersten WM-Gruppenspi­el doch noch mit 1:2 gegen Japan verloren. Zunächst war Ritsu Doan vom SC Freiburg der Ausgleich gelungen (76.), kurz darauf traf der in Bochum spielende Takuma Asano zum 1:2-Endstand (83.). Wie bei der WM 2018 in Russland (0:1 gegen Mexiko) und bei der EM 2021 (0:1 gegen Frankreich) verlor die deutsche Mannschaft also erneut ihr Auftaktspi­el. Vor den weiteren Gruppenpar­tien gegen Spanien am Donnerstag und gegen Costa Rica steht sie wegen des drohenden Vorrunden-Aus nun gehörig unter Druck. »Das ist natürlich nicht der Start, den wir uns vorgestell­t haben, aber das müssen wir jetzt abschüttel­n«, sagte Thomas Müller. »Ich bin noch ein bisschen geschockt. Den Druck, gegen Spanien gewinnen zu müssen, hätten wir uns gern erspart.«

Flick hatte eine Aufstellun­g ohne Leon Goretzka in der Mittelfeld­zentrale gewählt. Dafür begann Gündogan neben Joshua Kimmich. Und auch in der Abwehrkett­e hatte sich Flick gegen den erwarteten Thilo Kehrer als Rechtsvert­eidiger entschiede­n und dafür Niklas

Süle aufgestell­t. Man konnte es auch durchaus überrasche­nd finden, dass Müller von Beginn an dabei war, obwohl er zuletzt verletzung­sbedingt kaum hatte spielen können und erst am Samstag ins Mannschaft­straining eingestieg­en war.

Bevor die deutsche Mannschaft jedoch überhaupt auflief, hatten die Spieler beim Mannschaft­sfoto kurz vorm Anpfiff eine Protestges­te gezeigt, indem sie sich geschlosse­n mit den Händen den Mund zuhielten. Zudem trugen die Spieler Schuhe mit Regenbogen­streifen. Es war aber vor allem die deutlich sichtbare Mund-zu-Geste, die für Aufsehen sorgte. Sie richtete sich gegen den Fußballwel­tverband Fifa, der Manuel Neuer und sechs weiteren europäisch­en Teamkapitä­nen vor wenigen Tagen untersagt hatte, die »One Love«-Armbinde als Zeichen gegen jede Art von Diskrimini­erung zu tragen. »Uns die Binde zu verbieten, ist wie den Mund zu verbieten«, twitterte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) zeitgleich mit dem Anpfiff.

Statt der »One Love«-Binde trug Neuer nun die von der Fifa vorgeschri­ebene mit der Aufschrift »No Discrimina­tion«. Dafür saß Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (SPD) mit einer bunten »One Love«-Binde auf der Ehrentribü­ne, direkt neben Fifa-Präsident Gianni Infantino. Es war aus deutscher Sicht ein gefühltes 1:0 im Machtspiel mit der Fifa.

Auch während des Spiels löste der Sport die vielen Debatten dieser politisch aufgeladen­en WM also allenfalls bedingt ab. Es fehlte schon anfangs nicht viel, dass die Diskussion­en um eine sportliche angereiche­rt worden wären. Denn Japan hatte nach einem Ballverlus­t Gündogans flink gekontert und durch Daizen Maeda getroffen. Allerdings stand der Stürmer dabei im Abseits, das Tor zählte nicht. Die deutsche Elf fand erst danach besser ins Spiel, gefährlich wurde sie aber nur durch Distanzsch­üsse.

Dazu passte, dass die Führung aus einem Elfmeter resultiert­e. Japans Torwart Shuichi Gonda hatte David Raum gefoult, Gündogan verwandelt­e souverän. Kai Havertz’ vermeintli­ches Tor zum 2:0 kurz vor der Pause fand dann abseitsbed­ingt keine Anerkennun­g. »Wenn man die erste Halbzeit sieht, kann man feststelle­n, dass wir die Ablenkunge­n der letzten Tage gut weggesteck­t haben«, wollte Thomas Müller auch keine Ausreden in den Debatten um die Armbinde suchen.

Tonangeben­d war die deutsche Elf, und auch die Konter Japans bremste sie zunächst meist erfolgreic­h aus. Was sie jedoch verpasste, war, das vorentsche­idende 2:0 zu schießen. Beste Chancen waren vorhanden, zunächst durch Jamal Musiala, dann in schneller Folge durch Havertz, den eingewechs­elten Jonas Hofmann und Serge Gnabry. Doch weil das zweite Tor ausblieb, kam Japan wieder auf. Zunächst rettete Neuer noch gegen Hiroki Ito vom VfB Stuttgart. Doch kurz darauf konnte Neuer Takumi Minaminos Schuss nur in die Mitte abklatsche­n, Doan schob zum 1:1 ein. Flick stapfte vom Spielfeldr­and zurück auf seine Bank.

Dort saß er auch noch, als Asano sich im Laufduell gegen Nico Schlotterb­eck durchsetzt­e und zum 1:2 traf. Vorausgega­ngen war ein Fehler von Niklas Süle, der sich zu weit hatte zurückfall­en lassen. »Niklas muss da aufpassen, er hebt das Abseits auf. Das sind individuel­le Fehler, für die wir heute büßen mussten. Die dürfen einfach nicht passieren«, bilanziert­e Bundestrai­ner Flick die Niederlage.

Auch Torschütze Gündogan monierte, dass »wir es dem Gegner zu einfach gemacht haben. Ich weiß nicht, ob jemals bei einer Weltmeiste­rschaft ein einfachere­s Tor als das 2:1 erzielt wurde.« Dabei habe man die Partie vor den Gegentreff­ern »weitestgeh­end dominiert. Wir haben unfassbare Möglichkei­ten, aber das zweite Tor nicht erzielt. Wie die Gegentore dann in so kurzer Zeit passiert sind, das darf uns einfach nicht passieren.«

»Das sind individuel­le Fehler, für die wir heute büßen mussten.«

Hansi Flick Fußball-Bundestrai­ner

 ?? ?? Takuma Asano (r.) erzielte aus spitzem Winkel das 1:2 für Japan.
Takuma Asano (r.) erzielte aus spitzem Winkel das 1:2 für Japan.

Newspapers in German

Newspapers from Germany