Eine Weltmeisterschaft zum Schaudern
Der Fifa-Präsident als Schlechtwettergarant und eine schockgefrostete Stimmung in den Stadien
Dänemarks Trainer Kasper Hjulmand kann sich nur schwer als Mensch finden. Angst machen auch arktische Luftströme – mit Blick auf die Energiebilanz. Aber der Weltverband hat ja davor gewarnt.
Es fällt gerade wirklich schwer, als Europäer mit dieser WM warm zu werden. Kasper Hjulmand, werteorientierter Nationaltrainer Dänemarks, hat nun zugegeben: »Als Mensch habe ich hier Schwierigkeiten, zu mir selbst zu finden.« Ein mutiges Geständnis, das bei seinen Zuhörern als Gänsehautmoment rüberkam. Leider ist das mit der Gänsehaut wirklich so, denn die Organisatoren tun alles, dass dieses Turnier schockgefrostet wirkt. Dass Pressekonferenzsäle, Medienräume
oder Vip-Logen auf gefühlt 15 Grad Celsius und weniger runtergekühlt werden, ist vielleicht noch hinnehmbar, weil vor wenigen Tagen draußen noch Temperaturen von weit über 30 Grad herrschten. Und drinnen schwitzen will dann niemand.
Dass aber in die meisten Stadien jetzt immer noch aus vollen Rohren kalte Luft hineingeblasen wird, versteht keiner. Mit Turnierbeginn sind die Temperaturen in Katar – wie übrigens vom Schlechtwettergaranten Gianni Infantino angekündigt – spürbar angenehmer geworden. Spätestens mit dem frühen Sonnenuntergang kommt alles dem Ideal vom lauen Sommerabend sehr nahe. Vermutlich will das in Deutschland niemand hören, aber es ist so: Das Wetter für die Weltmeisterschaft in der Wüste ist gerade top.
Dennoch liefen die Gebläse im Education City Stadium bei der Partie Dänemark gegen Tunesien auf voller Stärke, die gigantischen Klimaanlagen leisteten ganze Arbeit: Fans und Journalisten in den oberen Blöcken streiften sich Jacken und Pullover über, andere warfen einen Schal um den Hals.
Wohlfühlhinweise der Fifa
Anders behalfen sich am Tag zuvor einige großgewachsene, kräftige Besucher beim Gruppenspiel England gegen Iran im Khalifa International Stadium: Dort sind die Austrittsöffnungen der Air Condition zwar von beträchtlichem Durchmesser, aber drehbar. Wer auf die Plastikstühle der letzten Reihe stieg, konnte den arktischen Strom direkt unters Stadiondach leiten. Man musste nur einen Moment abpassen, in denen die Ordner aufs Spielfeld schauten.
Ob voll klimatisierte Stadien im Winter von Katar einen Sinn ergeben? Ob das der Energiebilanz dieser WM hilft? Natürlich nicht. Es kann nur niemand sagen, dass die Fifa davor nicht gewarnt hat. Im Gegenteil: Auf Seite 28 des Hinweisgebers für Medienvertreter findet sich auf der Reise-Checkliste der ausdrückliche Hinweis: Die Klimaanlage werde abhängig von den Außentemperaturen eingeschaltet. Speziell bei den um 13 und 16 Uhr Ortszeit angepfiffenen Partien werde diese angestellt, um den Spielern optimale Bedingungen zu gewährleisten. Und wörtlich: »Bitte nehmen Sie warme, windfeste Kleidung mit, um sich wohlzufühlen.« Es ist wirklich eine WM zum Schaudern.*