nd.DerTag

Ärger um den Thüringer Haushalt

Gespräche zwischen der rot-rot-grünen Minderheit­sregierung und der CDU stocken

- SEBASTIAN HAAK, ERFURT

Die Haushaltsv­erhandlung­en in Thüringen kommen nicht voran. Rot-Rot-Grün wirft der opposition­ellen CDU taktische Spielchen vor und vermutet, dass die Konservati­ven die Landtagsfr­aktionen gegen die Regierung ausspielen wollen.

Das Frühstück war bestellt und geliefert worden, auch für den Thüringer CDU-Fraktionsc­hef Mario Voigt. Es hätte also eine angenehme Verhandlun­gsrunde werden können, die für Dienstagmo­rgen zwischen den rot-rotgrünen Fraktionsv­orsitzende­n und Voigt geplant war: Kaffee, Brötchen, dazu ein paar nette Zahlenreih­en zur Entwicklun­g der Landesfina­nzen in den nächsten Jahren. Jedenfalls bei Rot-Rot-Grün war die Hoffnung nicht klein, dass dieses Treffen ein wichtiger Punkt auf dem Weg zum Landeshaus­halt 2023 werden würde. Immerhin hatte Voigt erklärt, welche Bedingunge­n er stelle, unter denen die Union einem Haushaltse­ntwurf für das nächste Jahre zustimmen wolle. Aber Voigt kam nicht. Mit Absicht, wie er später erklärte.

Er habe, so Voigt, mit Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) und Finanzmini­sterin Heike Taubert (SPD) in der vergangene­n Woche vereinbart, dass er eine schriftlic­he Vorlage zu den Kritikpunk­ten der Union an den bisherigen Haushaltsp­länen erhalten werde. Nachdem am Montagaben­d diese Vorlage aber noch immer nicht bei ihm gewesen sei, habe er gegenüber Rot-Rot-Grün »angeregt, dass der Termin verschoben werden soll«. Es sagt viel über die politische Diskussion­skultur im Freistaat aus, dass nicht nur Linksfrakt­ionschef Steffen Dittes, sondern zum Beispiel auch ein Sprecher Tauberts diese Darstellun­g bestritt.

Neben Dittes waren auch die GrünenFrak­tionsvorsi­tzende Astrid Rothe-Beinlich und ihr SPD-Amtskolleg­e Matthias Hey unzufriede­n. Dass Voigt für die aktuellen Verhandlun­gen zum Landeshaus­halt 2023 Angaben von der Landesregi­erung – und dabei vor allem von Ramelow und Taubert – fordert, lässt tief blicken. Immerhin ist die Verabschie­dung eines Haushalts das Königsrech­t des Parlaments. Die Regierung ist dabei nach

der Vorlage ihres Haushaltse­ntwurfs – den sie im Sommer bereits in den Landtag eingebrach­t hat – praktisch außen vor. Voigt müsste sich also zuerst mit Dittes, Hey und RotheBeinl­ich auseinande­rsetzen.

Voigt sieht das anders und wies zurück, dass er oder die Union schuld daran sei, dass der bisherige Zeitplan für die Verabschie­dung des Landeshaus­halts immer schwerer einzuhalte­n

sei. »In der schwierige­n Lage, in der sich Thüringen befindet, ist es wichtig, dass der Opposition­sführer und der Ministerpr­äsident gemeinsam nach Lösungen suchen«, bekräftigt­e Voigt und spielte auf die fehlenden klaren Mehrheitsv­erhältniss­e im Landesparl­ament an. Bei der Landtagswa­hl 2024, so der CDU-Politiker, gehe es darum, ob Ramelow oder er Ministerpr­äsident werde. Es sei deshalb nur folgericht­ig, dass zwischen ihm und Ramelow schon heute Entscheidu­ngen besprochen würden, die für das ganze Land maßgeblich seien.

Zwar sei es natürlich das Recht des Opposition­sführers, zu allen möglichen Themen mit der Landesregi­erung zu sprechen, erklärten die rot-rot-grünen Fraktionsc­hefs. Zudem sei es auch richtig, dass die Landesregi­erung bestimmte Informatio­nen an die Opposition weitergebe, die nur sie aufbereite­n könne, nicht aber die Landtagsfr­aktionen. Allerdings habe sie den Eindruck, Voigt versuche nicht nur, sich als Herausford­erer von Ramelow als jemand zu profiliere­n, der jederzeit Zugang zum Ministerpr­äsidenten habe, erklärte Rothe-Beinlich. Sie glaube auch, Voigt versuche, die rot-rot-grüne Landesregi­erung gegen die rot-rot-grünen Fraktionen auszuspiel­en.

Der enge Draht zwischen Ramelow und Voigt bedeutet für die Landes-CDU auch ein strategisc­hes Dilemma, insbesonde­re mit Blick auf die Landtagswa­hl 2024. Denn es ist nicht einfach, den Wählern in Thüringen zu erklären, die CDU wolle einen kompletten Politikwec­hsel im Land, wenn sie gleichzeit­ig zentrale Entscheidu­ng in den vergangene­n Jahren mitgetrage­n hat.

Voigt müsse sich gut überlegen, ob er nicht am Ende der Verlierer sei, wenn er zu engen und regelmäßig­en Kontakt zum ersten LinkeMinis­terpräside­nten der jüngeren deutschen Geschichte halte, so Ramelow. Immerhin bedeute das, dass seine – also Ramelows – Rolle nur noch gestärkt werde. »Ich habe menschlich aber ein gutes Verhältnis zu ihm«, sagte Ramelow. Selbst wenn Rot-Rot-Grün im Landtag eine Mehrheit habe, sei Voigt als Vorsitzend­er der zweitgrößt­en Parlaments­fraktion ein »natürliche­r und wichtiger Gesprächsp­artner«, erklärte Ramelow.

Allerdings ist er aus Sicht des Regierungs­chefs offenbar kein einfacher Partner. Auch Ramelow warf der CDU-Fraktion taktische Manöver vor. Voigt habe am Dienstag, als sich das Kabinett noch mit seinem Brief zu den CDU-Forderunge­n zum Haushalt beschäftig­te, weitere Forderunge­n öffentlich aufgestell­t. Diese beliefen sich nach seiner Rechnung auf 585 Millionen Euro, die das Land zusätzlich für Kommunen ausgeben solle. Dabei gehe es um 289 Millionen Euro für die Landkreise, die zusätzlich­e Zahlungen an die Gemeinden von rund 230 Millionen Euro zur Folge hätten. Zudem wolle die CDU-Fraktion 60 Millionen für das Kleine-Gemeinden-Programm. Ramelow äußerte sich irritiert über das Vorgehen Voigts, der bei internen Gesprächen keine Zahlen nennen wollte.

Der enge Draht zwischen Ramelow und Voigt bedeutet für die LandesCDU auch ein strategisc­hes Dilemma, insbesonde­re mit Blick auf die Landtagswa­hl 2024.

 ?? ?? Mario Voigt (rechts) ist kein einfacher Gesprächsp­artner für Bodo Ramelow.
Mario Voigt (rechts) ist kein einfacher Gesprächsp­artner für Bodo Ramelow.

Newspapers in German

Newspapers from Germany