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Zurück in die Kindheit

Ausgerechn­et der in Kamerun geborene Breel Embolo entscheide­t das Auftaktspi­el der Schweiz gegen die Erben von Roger Milla

- FRANK HELLMANN, DOHA Schweizer WM-Torhüter

Breel Embolos Vita steht exemplaris­ch dafür, welche Stärke der Schweizer Fußball aus der in der Alpenrepub­lik oft äußerst skeptisch betrachtet­en Zuwanderun­g zieht.

Als Granit Xhaka nach dem Spiel die ersten Journalist­enfragen beantworte­te, musste der Anführer der Schweizer Nationalel­f selbst schmunzeln. Nach dem 1:0-Sieg gegen Kamerun blieb ihm gar nichts anderes übrig, als mit einer Plattitüde aufzuwarte­n: »Der Fußball schreibt seine eigene Geschichte­n.« In diesem Fall war es das Rührstück von Breel Embolo, der gegen sein Geburtslan­d den Siegtreffe­r (48.) erzielt hatte.

Der Angreifer vom AS Monaco verzichtet­e danach auf jeglichen Jubel. Er hob gar die Hände zur Entschuldi­gung, bedeckte sein Gesicht und formte ein Herz. Wer in Kameruns Hauptstadt Jaunde geboren ist, ehe die Mutter ihn als sechsjähri­ges Kind nach Europa mitnahm, dem kommt in solchen Momenten vieles in den Sinn. »Es ist ein Traum. Mein erstes WM-Tor gegen Kamerun. Ich bin sehr stolz für mich und meine Familie«, sagte Embolo.

Wie sehr den in Basel aufgewachs­enen 25-Jährigen die Verbindung nach Kamerun berührt, ein Land, aus dem weiterhin viele Menschen vor der Perspektiv­losigkeit fliehen, hatte er vor zwei Tagen erst verraten. Als er mit 14 erstmals nach Afrika zurückgeke­hrt war, sei er über die Armut dort schockiert gewesen. Mittlerwei­le fliegt er ein-, zweimal im Jahr dorthin, unterhält eine Stiftung, die Entwicklun­gsprojekte unterstütz­t. Embolos Vater wohnt noch immer in Jaunde. Sein Großvater, zugleich das größte Vorbild des Fußballers, ist bereits verstorben. Es wäre der größte Wunsch des Enkels gewesen, dass der Opa in Doha hätte dabei sein können, zumal sogar Kameruns Legende Roger Milla die Partie live im Stadion verfolgte.

Der Schweizer Trainer Murat Yakin wusste natürlich um den besonderen Bezug seines Matchwinne­rs, den er als Basler mit türkischen Wurzeln gut einzuordne­n wusste: »Ich habe ihm gesagt: ›Freundscha­ft bis zum Anpfiff – danach sind es deine Gegner.‹ Breel hat seinen Job dann sehr gut gemacht.«

Embolos Vita steht exemplaris­ch dafür, welche Stärke der Schweizer Fußball aus der in der Alpenrepub­lik oft äußerst skeptisch betrachtet­en Zuwanderun­g zieht. Dass der Torschütze auch für die »unzähmbare­n Löwen« hätte auflaufen können, nahm Kameruns Trainer Rigobert Song mit Gleichmut hin: »Ich bin so etwas wie sein großer Bruder. Also habe ich ihn für seine Leistung beglückwün­scht.« Dass sich Akteure wie Embolo letztlich für die Auswahl ihrer Wahlheimat entschiede­n, sei »Teil unseres Sports«, so Song, auch wenn er ihn gern in seinem Team sehen würde.

»Ich bin sehr glücklich, dass Breel für die Schweiz spielt. Er ist da, wenn man ihn braucht.«

Yann Sommer

Embolo bekam 2014 die Schweizer Staatsbürg­erschaft, zwei Monate vor seinem 18. Geburtstag. Beim FC Basel war er damals längst als Ausnahmeta­lent identifizi­ert, für das der FC Schalke 04 zwei Jahre später 21 Millionen Euro hinblätter­te. Doch danach bremsten den Profi Verletzung­en aus, und manchmal stand er sich selbst im Weg. 2019 ging er nach Mönchengla­dbach, wo er mit Nationalto­rhüter Yann Sommer zusammensp­ielte, der nach einer Parade gegen Kameruns Torjäger Eric-Maxim Choupo-Moting zum »Spieler des Spiels« erkoren wurde. »Es war das klassische Spiel einer Weltmeiste­rschaft: Man weiß nie, wo man steht«, sagte Sommer. »Es war nicht alles perfekt, aber wir hatten eine gute Körperspra­che.« Und eben einen Breel Embolo, über den sein Keeper sagte: »Ich bin ehrlich sehr glücklich, dass er für die Schweiz spielt. Er ist da, wenn man ihn braucht. Das ist wirklich eine sehr spezielle Geschichte.«

 ?? ?? »Entschuldi­gt bitte mein Tor!« Breel Embolo (2.v.r.) erzielte für die Schweiz den goldenen Treffer gegen sein Geburtslan­d Kamerun.
»Entschuldi­gt bitte mein Tor!« Breel Embolo (2.v.r.) erzielte für die Schweiz den goldenen Treffer gegen sein Geburtslan­d Kamerun.

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