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Reingehen, immer wieder reingehen

Hauptstadt-Grüne wollen im Wahlkampf auf das sperrige Thema Verwaltung­sreform setzen Nach dem Berliner Grünen-Landespart­eitag vor einer Woche hat sich am Samstag die Abgeordnet­enhausfrak­tion getroffen, um über ihr angekündig­tes »Update für Berlin« zu spre

- MISCHA PFISTERER

Die Pannen bei der Abgeordnet­enhauswahl 2021 hätten sich nach Einschätzu­ng der Berliner Grünen durch eine rechtzeiti­ge Reform der Verwaltung in der Hauptstadt vermeiden lassen. »Dieses Debakel wäre nicht passiert, wenn wir die Verwaltung­sreform früher angegangen wären«, sagt die alte und neue Grünen-Spitzenkan­didatin für das Amt der Regierende­n Bürgermeis­terin, Bettina Jarasch, am Samstag auf einer Arbeitskla­usur der Abgeordnet­enhausfrak­tion in den Gärten der Welt in Marzahn-Hellersdor­f. Reingehen in die Strukturen müsse man.

Vom Reingehen war bei der Diskussion­srunde »Ein Update für Berlin« dann auch immer wieder die Rede. »Reingehen in die Strukturen und schauen: Was kann man an den Prozessen ändern?«, sagt Jarasch. Und: »Wenn man etwas ändern will, muss man reingehen.« Das Thema Verwaltung­sreform ist eigentlich keines, mit dem man in Wahlkampfz­eiten einen Blumentopf gewinnt. Doch die Ausgangsla­ge bei dieser Wiederholu­ngswahl ist eine andere. Der Wahlablauf im

September 2021 gilt als Sinnbild der Berliner Verwaltung­sdystopie. »Ich würde mich freuen, wenn der Weckruf jetzt dazu führt, die großen Themen anzugehen«, sagt Jarasch. Schwerpunk­t der Grünen im Wahlkampf wird deshalb die Forderung nach einer umfassende­n Verwaltung­sreform.

Nötig sei eine klarere Aufgabenve­rteilung zwischen Land und Bezirken, damit die Stadt wieder funktionie­re. Die Grünen plädieren für ein »politische­s Bezirksamt«: Bezirksbür­germeister und -stadträte sollen nach ihrem Willen in Zukunft von einer Regierungs­mehrheit in den Bezirksver­ordnetenve­rsammlunge­n gewählt und nicht mehr – wie bisher – nach dem Proporzsys­tem besetzt werden. »Und eines ist wichtig: Es kann sein, dass Aufgaben zentralisi­ert werden«, sagt Jarasch. Es sei auch denkbar, dass manches bei einem Bezirksamt angesiedel­t werde, das Dinge dann für andere Bezirksämt­er erledige. Da ist sie wieder, die Diskussion um die Reform der Zuständigk­eit der Berliner Bezirke. Jarasch fordert einen neuen Versuch.

Beim Thema Verwaltung hatte sich RotGrün-Rot im vergangene­n Jahr etliches versproche­n. Im Koalitions­vertrag heißt es euphorisch: »Die Koalition wagt für die Berliner Verwaltung einen neuen Aufbruch.« Und: »Mit einer Verwaltung­sreform werden Prozesse und Verfahren vereinfach­t.« Die Grünen zeigen jetzt auf die Regierende Bürgermeis­terin Franziska Giffey (SPD). »Wir haben einiges im Koalitions­vertrag verabredet, leider sind noch keine Grundlagen dafür gelegt«, sagt Jarasch. Für die Umsetzung verantwort­lich sei nun mal die Senatskanz­lei. Nicht mal der Geschäftsv­erteilungs­plan sei verabredet. »Das ist die Grundlage von allem«, so Jarasch.

Dass die Reform nicht »mit einem Fingerschn­ipsen« erfolge, sei klar. Und von oben anordnen lasse sich das schon gar nicht, sagt Jarasch. »Ich glaube nicht, dass Verwaltung­sreform topdown funktionie­rt.« Am Samstag will die in den Bezirken tief verwurzelt­e Partei daher auch einen eigenen Akzent setzen und holt sich hierfür grüne Amtsträger­innen, aktuelle wie ehemalige, auf das Podium.

Darunter ist Monika Herrmann, bis 2021 Bezirksbür­germeister­in von Friedrichs­hainKreuzb­erg. Sie sagt: »Verwaltung und politische Verantwort­ung müssen an einem Strang ziehen, ebenso der Senat und die Bezirksebe­ne«. Oder Stefanie Remlinger, seit diesem Oktober Bürgermeis­terin von Mitte: »Gut, dass wir uns des Themas annehmen.« Die Botschaft, die von der Klausur ausgehen soll: Wir sind krisenerpr­obt, wir sind bereit, Verantwort­ung zu übernehmen. »Wir gehen rein und zeigen, dass wir es besser können«, sagt Antje Kapek, die ehemalige Fraktionsv­orsitzende.

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