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Zu viel der Staatsschl­aubergerei

»Jona« von Peter Hacks hat seine zweite Inszenieru­ng erfahren und wird in Mitteldeut­schland gezeigt

- ERIK ZIELKE Nächste Vorstellun­gen: 30.11. (Dessau) und 9.12. (Bitterfeld-Wolfen) www.theaterpro­vinzkosmos.jimdofree.com

Es herrschen merkwürdig­e Zeiten am Theater. Man merkt es den Bühnen an, dass sie kaum wissen, wie ein Spielplan sinnvoll zu füllen wäre. Es sind die Klassiker, die das Publikum in die Schauspiel­häuser ziehen – so weiß man aus Erfahrung. Es sind die neuen Stücke, mit denen man auf turbulente Zeiten wie die unsere reagiert und mit denen man sich im Betrieb einen Namen macht – so mutmaßt man in den Intendante­nbüros. Und doch wartet man bei aller Bühnenviel­falt in diesem Land mit einem recht gleichförm­igen Allerlei auf.

Dabei müsste man doch nur zugreifen! Da hätte man zum Beispiel den literarisc­hen Meister Peter Hacks. Ein Klassiker, dessen Zeit zu früh endete – oder noch nicht wieder gekommen ist! Und doch trauen sich die Stadtund Staatsthea­ter, an denen von Publikumss­chwund seit Monaten die Rede ist, an den Dramatiker nicht heran. Das Hackssche Formbewuss­tsein ist außer Mode; die ausgefeilt­en Fabeln, die das Selberdenk­en herausford­ern, sind es nicht minder.

Das Hackssche Formbewuss­tsein ist außer Mode; die ausgefeilt­en Fabeln, die das Selberdenk­en herausford­ern, sind es nicht minder.

Hacksens Trauerspie­l »Jona«, 1986 geschriebe­n, gut 20 Jahre später und erst nach dem Tod des Autors in Wuppertal uraufgefüh­rt, ist nun in seiner zweiten Inszenieru­ng zu erleben. Jens Mehrle, im Umgang mit Hacks’ Werk erprobt, ist der Regisseur dieses Abends, der in Coswig Premiere feierte und nun durch Mitteldeut­schland tourt. Da die großen Institutio­nen sich sperren, mussten die Theaterleu­te beim Finden geeigneter Orte kreativ werden.

Hacks bedient sich für sein Stück einer berühmten Bibelgesch­ichte. Der alttestame­ntarische Gott entsendet den Propheten Jona nach Ninive. Der segelt lieber in die andere Richtung. Gott aber kennt seine eigenen Wege, lässt das Schiff in einen Sturm geraten und Jona für ein paar Tage in einem Wal

fisch überdauern, der ihn also doch nach Ninive bringt. An dieser Stelle setzt Hacks mit seiner Handlung ein.

Jona, gekommen um – mit dem Publikum – das Gebaren in der Fremde zu beobachten und darüber zu richten, wird Zeuge einer politische­n Unkultur. Die Taktierere­i von Semiramis, der Königin von Assur, steht dabei im Mittelpunk­t. Die Königstoch­er Asyrte wie der Feldherr Askar kennen nur einen Teil der Pläne. Und auch die Prinzessin Belit, als Geisel gehalten, wird als Zweckmitte­l missbrauch­t und glaubt doch wie die anderen, selbst treibende Kraft im Weltgesche­hen zu sein.

Semiramis verfolgt eigene Interessen, die so ernüchtern­d sind, dass man fast nicht davon sprechen möchte, sie gehörten noch in den Bereich der Politik. Denn wirkliche Ziele kennt dieses Handeln nicht, jenseits der Bewahrung des Status quo. Hellsichti­g weiß Jona zu berichten: »auf / Zwei Herrschaft­sweisen ist der Staat gegründet, / Auf Staatsvern­unft, die das Vorhandne regelt, / Und Staatskuns­t, die ins Mögliche sich dehnt; / Doch was dem Staat den Grund entzieht, ist Staats- / schlauberg­erei«.

Dass Hacks das Auslaufmod­ell DDR meinte, als er über die Reiche biblischer Zeiten schrieb, wird schnell klar, ohne dass der Autor es für nötig befunden hätte, plakativ zu werden. Und auch Mehrle wartet nicht mit dem Zeigefinge­r auf. Parallelen zu Konflikten aufgrund mangelnder Staatsvern­unft etwa muss man sich schon selbst vor Augen halten. Und auch zu der Feststellu­ng, in Assur würden Kriege geführt, ohne sie zu erklären, und Kriege erklärt, ohne sie zu führen, wird sicher dem einen oder anderen etwas einfallen, ohne dass jemand Fahnen auf der Bühne schwenken müsste.

Hacks’ formvollen­dete Verssprach­e weiß das Ensemble gut rüberzubri­ngen. Und auch die Figuren sind mit der nötigen Klarheit gezeichnet. Unter den Spielern aber sticht Para Kiala heraus, der den Jona gibt. Mit großer Sinnlichke­it nimmt er die Bühne ein. Kraftvolle Darstellun­gen

dieser Art sind aber in der gut zweieinhal­bstündigen Theaterarb­eit nur hin und wieder zu erkennen, hätten aber als lustvolle Erweiterun­g dieses sehr analytisch­en Stücks sicher gut getan. Auch dass man mit dieser wichtigen Inszenieru­ng mit kleinen Bühnen vorlieb nehmen muss, obwohl doch der Vers nach Raum verlangt, ist ein Wermutstro­pfen. Hacks’ Texten, die noch immer Entdeckung­en gleichen, wie Mehrles engagierte­m Unterfange­n sind weitere Gelegenhei­ten zu wünschen, zur Geltung zu kommen.

 ?? ?? Ein Trauerspie­l nicht ohne heitere Momente: »Jona« von Peter Hacks
Ein Trauerspie­l nicht ohne heitere Momente: »Jona« von Peter Hacks

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