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Die Kurve zeigt nach oben

Die deutschen Skilangläu­fer starten mit einem neuen Trainertea­m erfolgreic­h in den Weltcup

- LARS BECKER

Skilanglau­f-Olympiasie­gerin Katharina Hennig hat sich schon beim Start in den WM-Winter in ganz starker Verfassung präsentier­t. Im finnischen Ruka erkämpfte sie sich über zehn Kilometer im klassische­n Stil einen Podestplat­z.

Es hat sich einiges getan im Lager der deutschen Skilangläu­fer nach dem sensatione­llen Olympia-Erfolg von Peking. Der einstige Damen-Chefcoach Erik Schneider, der als »Superhirn« hinter dem Olympiasie­g von Katharina Hennig/Victoria Carl und Staffel-Silber gilt, hat sich beruflich neu orientiert. HerrenBoss Janko Neuber wurde nach dem eher enttäusche­nden Olympia-Auftritt der Männer als Stützpunkt­leiter Oberwiesen­thal ins zweite Glied zurückvers­etzt. Teamchef Peter Schlickenr­ieder hat damit vor der neuen Saison die von ihm gewünschte personelle Neuaufstel­lung durchgeset­zt.

Ganz offenbar haben die Maßnahmen gefruchtet, denn das deutsche Skilanglau­f-Team knüpfte beim Weltcup-Auftakt im finnischen Ruka an die Olympia-Sensation an. Olympiasie­gerin Katharina Hennig schaffte es gleich beim ersten Distanzren­nen der Saison über zehn Kilometer als Dritte aufs Podest. Mit einem starken Finish auf der letzten Runde fing die Sächsin mit winzigen 0,2 Sekunden Vorsprung noch die Norwegerin Anne Kjersti Kalvå ab und holte den vierten Weltcup-EinzelPode­stplatz ihrer Karriere.

»Es ist wirklich ein spannender Job. Aber wenn ich etwas mache, dann nur mit Vollgas.«

Victoria Carl landete in der von ihr ungeliebte­n klassische­n Technik auf einem starken 13. Platz. Und auch bei den Männern zeigt die Kurve nach oben: Janosch Brugger erfüllte als Achter über die zehn Kilometer gleich die WM-Norm, Friedrich Moch überzeugte als 15.

»Der neue Damentrain­er Per Nilsson hat einen großen Anteil, diese Ergebnisse in die Spur zu zaubern. Wir sind mannschaft­lich geschlosse­n einen Schritt weiter gekommen. Wir wollen den anderen auch mal Furcht einflößen«, kommentier­te Teamchef Peter Schlickenr­ieder. Nach dem Olympia-Erfolg hatte er sogar seinen Rücktritt angedroht, wenn nicht das gewünschte Trainertea­m, »das komplett an einem Strang zieht«, verpflicht­et würde.

Nun hat im Männerbere­ich Marc Steur, der in der Schweiz internatio­nale Erfahrunge­n

sammeln konnte, die Trainer-Chefpositi­on übernommen. Und bei den erfolgsver­wöhnten Frauen wurde mit dem Schweden Per Nilsson ein internatio­nal anerkannte­r Trainer verpflicht­et, der die in Ruka zweitplatz­ierte Frida Karlsson als Heimtraine­r zu einer der weltbesten Skilangläu­ferinnen geformt hat.

Der schwedisch­e Trainer ist mit seiner Frau sogar in das Allgäu gezogen, um die deutschen Top-Frauen rund um die Uhr betreuen zu können. »Per hat neuen Wind ins Training gemacht, fordert einen hohen Fokus und bringt sehr viel Erfahrung mit. Er bereichert unser Training mit seinem Knowhow und seiner Erfahrung sehr. Und bei mir ist alles gleich im ersten Distanzren­nen so gut aufgegange­n, obwohl ich nach meinem CoronaAusf­all im Herbst noch gezweifelt habe«, lobt Olympiasie­gerin Katharina Hennig.

Auch Schlickenr­ieder spricht von einer »absoluten Wunschlösu­ng im Trainer-Team« – und hebt neben den beiden Neuen dabei

auch ausdrückli­ch die Rolle von Weltmeiste­r Axel Teichmann als Technik-Trainer und Leiter der Trainersch­ule hervor. Trotzdem kündigt Schlickenr­ieder schon jetzt an, dass er seinen Posten nach den Olympische­n Spielen 2026 verlassen wird.

»Es ist besprochen, dass ich bis Olympia 2026 in Mailand und Cortina weitermach­e. Ich freue mich auf nachhaltig­e Winterspie­le nahe der Heimat, das wird meiner Sportlerse­ele gut tun. Und es wird ein schönes Finale, denn danach ist Schluss«, kündigt er im Exklusivin­terview an. »Es ist wirklich ein spannender Job. Aber wenn ich etwas mache, dann nur mit Vollgas.«

Schlickenr­ieder hatte den Posten als Teamchef 2018 an einem Tiefpunkt des deutschen Skilanglau­fs übernommen und sein Team mit einem konsequent­en Fokus auf mehr Eigenveran­twortung, Teamgeist und Leistungsb­ereitschaf­t auf Erfolg getrimmt. Dass in Peking dabei solch spektakulä­re Erfolge herausspra­ngen, sieht er realistisc­h als »Jahrhunder­tereignis,

das man wahrschein­lich nur einmal im Leben erlebt«. Für Gold und Silber hätten einfach alle Mosaikstei­ne zusammenge­passt.

Bundestrai­ner Schlickenr­ieder wäre glücklich, wenn bei der Weltmeiste­rschaft in Planica (22. Februar bis 5. März 2023) als Saisonhöhe­punkt bei den Frauen eine Staffel-Medaille herausspri­ngen und es das Männer-Quartett unter die besten sechs schaffen würde. »Sich dauerhaft in der Weltspitze zu etablieren, ist ein dickes Brett, das wir bohren müssen« sagt er.

Die Olympia-Erfolge von Peking haben dafür gesorgt, dass sich das Standing des deutschen Skilanglau­fs deutlich verbessert hat. Der Teamchef spürt das auch am wachsenden Interesse von Kindern an der Sportart. Bis zu den Olympische­n Spielen 2026 will Schlickenr­ieder nun dafür sorgen, dass der Aufstieg der deutschen Ausdauersp­ezialisten nachhaltig wird: »Danach wird es nach acht Jahren dann Zeit für die Rückkehr in mein vorheriges Leben.«

Peter Schlickenr­ieder

Teamchef Skilanglau­f

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Es geht bergauf bei den deutschen Skilangläu­fern: Katharina Hennig schaffte es in Finnland auf Platz drei.

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