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Letzter Törn

- HENDRIK LASCH

Jens Bullerjahn brachte in SachsenAnh­alt Rot-Rot mit auf den Weg und schwang als Minister den Rotstift. Der SPD-Politiker, Heavy-Metal-Fan und Segler wurde nur 60 Jahre alt.

Zum Ausstand gab es Fettbemmen und Blasmusik im Kulturhaus. Als Jens Bullerjahn sich 2017 aus der Politik zurückzog, war er dienstälte­ster Finanzmini­ster der Republik und hatte ein Vierteljah­rhundert lang die Landespoli­tik von Sachsen-Anhalt mitgeprägt. Und doch war er der Bergmannss­ohn aus dem Mansfelder Land geblieben. Also lud er zum Schluss zu einer zünftigen Sause. Als er nach Wünschen für die Zukunft gefragt wurde, gab er an, Segeln gehen zu wollen. Ein Ex-Kollege von der CDU bezeichnet­e ihn daraufhin spontan als den »Kolumbus von Mansfeld«.

Ähnlich wie der Entdecker war auch Bullerjahn einst in unbekannte Gewässer aufgebroch­en. Den Elektroing­enieur mit dem Faible für schwere Motorräder und Heavy Metal hatte es 1989 in die Politik getrieben. Er ging in die SPD und kam in den Landtag. Als parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der Fraktion war er im Magdeburge­r Modell, in dem SPD und PDS von 1994 bis 2002 bundesweit erstmals kooperiert­en, eine Art Chefunterh­ändler, der mit seinem Amtskolleg­en Wulf Gallert die Strippen zog und, so hieß es, politische Probleme auch mal bei einer Flasche Whisky entschärft­e.

Dann wechselte Bullerjahn den Kurs. In vier Jahren als Opposition­spolitiker sinnierte er in Papieren zu »Sachsen-Anhalt 2020« über Sparpoliti­k und die Notwendigk­eit von Länderfusi­onen. 2006 führte er als Spitzenkan­didat die SPD zurück in die Regierung – aber nicht, was rechnerisc­h möglich gewesen wäre, mit der Linken, sondern mit der CDU. In zehn schwarz-roten Regierungs­jahren kümmerte er sich danach um das Geld. Manche lobten, er habe den Etat in Schuss gebracht; andere lasteten ihm an, Theater und Hochschule­n, Lehrkörper und Polizei kaputtgesp­art zu haben. Seine SPD kostete das viel Zuspruch. Er verlor einen Machtkampf gegen die heutige Bundestags­abgeordnet­e Katrin Budde und zog sich zurück. Die Haare waren beim Abschied aus der Politik noch genauso lang wie 1990, nur deutlich grauer.

Lange konnte der »Kolumbus von Mansfeld« den Ruhestand nicht genießen. Im April machte er öffentlich, er leide an der unheilbare­n und heimtückis­chen Nervenkran­kheit ALS. An diesem Wochenende trat der passionier­te Segler seinen letzten Törn an. Er wurde nur 60 Jahre alt.

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Jens Bullerjahn (15.7.1962–26.11.2022)

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